Wärmepumpen klimaschädlicher als Gasheizungen ?

Ingenieure legen sich mit Habeck an

Zwei Ingenieure aus Berlin finden die Wärmepumpen aktuell sogar problematischer als moderne Gasheizungen. Was hat die Abschaltung der AKWs damit zu tun ? (von Chiara Maria Leister )

Am 15. April werden die Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet – das hat laut einem ehemaligen Ingenieur Auswirkungen auf die Attraktivität von Wärmepumpen. Sina Schuldt/dpa

Nicht alle sind so begeistert von Wärmepumpen. In welchen Fällen ist eine Wärmepumpe nicht so grün wie gedacht? Und was lässt Wirtschaftsminister Robert Habeck außer Acht, wenn er ab 2024 Wärmepumpen als neue Heizungen auch im Bestand vorschreiben will, während die Gasheizungen allmählich auf den Müllhaufen der Geschichte gehören sollen?

Viele Energieexperten und Umwelt-Ingenieure sind sich auf den ersten Blick einig, was die Klimafreundlichkeit der Wärmepumpen angeht. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Geräte nur eine Einheit Strom für drei Einheiten Wärme brauchen. Das scheint aber nur unter idealen Umständen der Fall zu sein, die vor allem im Bestand nicht gelten. Darauf weist etwa Frank Müller aus Grünheide in Brandenburg hin.

Müller ist im Ruhestand und hat nach eigenen Angaben viele Jahre im industriellen Bereich als Ingenieur gearbeitet. Er war auch in der Anwendungstechnik für Kälteanlagen und Wärmepumpen bei der Gesellschaft für Entstaubungsanlagen (GEA) tätig. In diesem Rahmen habe er Berechnungen zu Wärmepumpen durchgeführt und kenne daher deren Stärken und Schwächen. „Die öffentliche Propaganda über das Für und Wider der Wärmepumpen hat inzwischen absurde Züge angenommen, und es wird so viel Falsches und Dummes durch die Politik gesagt“, kritisiert er in einem Schreiben an die Berliner Zeitung.

Wir haben uns mit Müller ausgetauscht. Er positioniert sich nicht als Gegner der Heizungswende. Ganz umgekehrt: Er findet das geplante Gesetz zum Mindestanteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien bei Heizungsinstallationen einen richtigen Weg für den Bereich des Hausneubaus, um Treibhausgase einzusparen. Müller begründet es damit, dass bereits in der gesamten Hausplanung Fußbodenheizungen und Wandflächenheizsysteme berücksichtigt werden können. Dadurch könne mit geringen Vorlauftemperaturen von etwa 35 Grad Celsius das Heizsystem eines Hauses betrieben werden. Anders sei es jedoch bei den Bestandsgebäuden, warnt Müller.

Das sind die Tücken der Wärmepumpen im Bestand

„Bei bestehenden Gebäuden mit Wandheizkörpern und geringeren Dämmwerten ist das Gesetzesvorhaben kontraproduktiv“, argumentiert er. Damit habe man dem Klimaschutz einen Bärendienst erwiesen. Moderne Gasbrennwertheizungen in älteren Bestandsgebäuden haben laut dem pensionierten Ingenieur einen geringeren CO2-Ausstoß als der Betrieb derartiger Gebäude mit Luftwärmepumpen. Nach dem geplanten Gesetz Habecks sind diese Wärmepumpen aber bei alten Häusern oder Wohnungen die bevorzugte Alternative.

Anhand eines Beispiels verdeutlicht Müller das CO2-Ausmaß von Wärmepumpen. Betrachte man ein älteres Einfamilienhaus mit einer mittleren Dämmung, so brauche es etwa 20.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr an Heizenergie, schildert er. Beim Einsatz einer modernen Gasheizung sind demnach 181 Gramm CO2-Ausstoß je kWh erzeugte Heizenergie zu erwarten, bezogen auf den Brennwert von Erdgas. Damit würde die Emission dieses Hauses für die Gasheizung pro Jahr etwa 3620 Kilogramm CO2 betragen.

Bei der zwangsweisen Installation einer Luftwärmepumpe (die Luftwärmepumpen sind günstiger als andere Bauarten und bisher mehr verbreitet, Anm. d. Red.) für dasselbe Haus würde sich die CO2-Emission erhöhen. Die Berechnung ist laut Müller etwas komplizierter, da die Umwandlungseffizienzen von den verschiedenen Energieträgern berücksichtigt werden müssen. Eine Luftwärmepumpe in dem betrachteten älteren Bestandshaus habe bei der hier notwendigen Vorlauftemperatur von etwa 55 Grad Celsius eine jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energieeffizienz von 125 Prozent. Das bedeute, dass aus einer kWh Primärenergie aus dem Netz 1,25 kWh Heizenergie für das Haus erzeugt werden.

Die Eingangsdaten für seine Berechnung entnimmt Müller aus der „Liste der förderfähigen Wärmepumpen mit Prüf-/Effizienznachweis“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Geprüfte Luftwärmepumpen mit 55 Grad Celsius Vorlauftemperatur haben demnach bei einer Leistung von 6–9 Kilowatt, die sich für Einfamilienhäuser eignen, eine jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energieeffizienz (ETAs) von 126 Prozent. Müller hat aus Vereinfachungsgründen mit 125 Prozent gerechnet.

Hat eine moderne Gasheizung einen geringeren CO2-Ausstoß als eine Wärmepumpe im Bestand?

Für die im Einfamilienhaus benötigten 20.000 kWh Heizenergie pro Jahr werden laut Müllers Berechnungen rund 8890 kWh Elektroenergie von der Luftwärmepumpe verbraucht. Auf dieses Ergebnis kommt der gelernte Ingenieur, da bei einer Effizienz von 125 Prozent noch 16.000 kWh Primärenergie bleiben, die die Wärmepumpe als in Elektroenergie umgewandelte geringere Anzahl von kWh vom Stromnetz zieht. Diese Zahl wird anschließend noch durch den Primärenergiefaktor von 1,8 geteilt.

Der Primärenergiefaktor für netzgebunden Strom besagt, dass aus 1,8 Kilowatt Primärenergie final ein Kilowatt Elektroenergie gewonnen werden kann. In Müllers Berechnung wird der CO2-Ausstoß nicht mit dem Primärenergieverbrauch, sondern mit dem bereinigten Stromverbrauch berechnet. Auf diese Weise kann es mit den Werten der modernen Erdgasheizungen verglichen werden.

INFOGRAFIK: MÓNICA RODRÍGUEZ/BERLINER ZEITUNG; QUELLEN: Inhaus/waermepumpe.de/bombadecalor.org/e-ficiencia

Interessant wird nun, wie viel CO2 die deutsche Energiewirtschaft für den Energieverbrauch von 8890 kWh bei Luftwärmepumpen ausstößt. Aus dem Strommix des Jahres 2022 stammen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) durchschnittlich nur knapp 45 Prozent aus erneuerbaren Energien.

Für die Erzeugung einer kWh Elektroenergie verursache der Strommix 489 Gramm CO2, argumentiert Müller weiter. Auf das Jahr gerechnet würde das Einfamilienhaus mit einer Luftwärmepumpe dann rund 4350 Kilogramm CO2 emittieren. Das Verhältnis gelte analog auch für Mehrfamilienhäuser mit ähnlichen Randbedingungen.

Dennoch steigt der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix stetig. Liegt er in den nächsten Jahren, wie erwartet, weit über den besagten 45 Prozent, so wird auch der CO2-Ausstoß von Wärmepumpen sukzessive geringer. Laut Destatis ist der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms von 2021 auf 2022 bereits um 7,3 Prozent gestiegen.

Müller zeigt sich trotzdem skeptisch. „Welch eine Beitrag für den Umweltschutz“, kommentiert er zynisch und beharrt: Beim direkten Vergleich der Zahlen schneiden die modernen Gasheizungen in Sachen CO2-Ausstoß immer noch besser als die Luftwärmepumpen ab. Sollte die Politik für den Verzicht auf die Gasheizungen deswegen vielleicht etwas mehr Zeit einplanen?

Die Lüftungsanlage einer Wärmepumpe

Eins ist klar: Zumindest können die Nutzer von Gasheizungen nach Müllers Logik in den nächsten Jahren ein sauberes Gewissen haben, denn Klimasünder sind sie beim relativen Vergleich noch nicht. Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck geht im neuesten Gesetzentwurf zum bestehenden Gebäudeenergiegesetz nicht auf dieses Problem ein, rät die Verbraucher jedoch zu einer besseren Dämmung. Diese führe „zu einem niedrigeren Energieverbrauch des ausgebauten Gebäudeteils und führt so zu Einsparungen im Betrieb“, heißt es.

AKW-Abschaltung in Deutschland: Wird der CO2-Ausstoß der Wärmepumpen erst mal noch größer?

Mit der Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke zum 15. April werde der Umweltschaden durch die neuen Luftwärmepumpen im Bestand sogar noch größer, erwartet Müller. Warum? Die Atomkraftwerke werden in seiner Berechnung noch emissionsfrei berücksichtigt. Mit ihrem Abschalten und dem steigenden Anteil konventioneller Kohlekraftwerke, ist für Frank Müller klar, werde der CO2-Ausstoß für ältere Bestandsbauten mit Luftwärmepumpen noch mal leicht ansteigen.

„Das ist der nächste generelle Fehler der grünen Energiepolitik“, kritisiert der pensionierte Ingenieur. Ganz Europa setze auf Atomkraft als CO2-freie Energieerzeugungslösung. Nur die deutschen Grünen als „Don Quijote“ (eine idealistische Person, die einen sinnlosen und aussichtslosen Kampf führt, da sie an den realen Gegebenheiten scheitert, Anm. d. Red.) der Energiewende würden dagegen antreten und damit preiswerte Energie in Deutschland verhindern, merkt Müller an.

65-Prozent-Regel: Anteil erneuerbarer Energien im Winter zu gering

So einfach ist es nicht, denn nach Destatis-Angaben steigt parallel zur Kohle auch der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Strommix. Im ersten Quartal 2023 waren es schon 51,5 Prozent. Besonders Photovoltaik, aber auch die Windkraft legen zu.

Es gibt aber auch einen anderen kritischen Punkt. Der Wirkungsgrad von Wärmepumpen werde nicht gern offengelegt, da sie im Winter den schlechtesten Wirkungsgrad haben, verweist Erwin Gerhard, Diplom-Ingenieur und Bauunternehmer aus Berlin, gegenüber der Berliner Zeitung. Das habe er ermittelt – „aber Habeck eher nicht“.

Der Wirkungsgrad von Wärmepumpen verringert sich, je höher die Differenz zwischen der Temperatur der Umweltwärmequelle und der Vorlauftemperatur wird. Deshalb begrenzt man in der Praxis die Vorlauftemperatur von Wärmepumpen-Heizungen auf 55 Grad Celsius.

Frank Müller schließt sich dem Kollegen an. Im Winter gibt es bei der Stromerzeugung längere Zeiträume mit einem Anteil von nur 20 Prozent erneuerbarer Energien, argumentiert er weiter. Der Minimalwert habe im Winter 2022/23 sogar bei nur 13 Prozent gelegen. Selbst eine Verdopplung des Erneuerbaren-Anteils in einigen Jahren reicht nach seiner Einschätzung für eine bessere Bilanz im Winter nicht aus. Auch der Stromverbrauch der Wärmepumpe steige im Winter. 

Energiemengen im Terawattstundenbereich müssten gespeichert werden, damit die deutsche Wirtschaft in solchen Zeiten nicht ohne Strom dastehe. Das ist aber in den nächsten Jahrzehnten fast unmöglich, ist Müller der Auffassung. Damit sei auch die 65-Prozent-Regel noch lange nicht wirklich umsetzbar.


Kommentare

Schreibe einen Kommentar