UN-Vollversammlung zu Israel

(von Daniel Friedrich Sturm)

FDP-Generalsekretär kritisiert deutsche Enthaltung

Das Votum war zwischen Außenministerium und Kanzleramt „einvernehmlich entschieden“. Mit der Enthaltung mache sich Deutschland international lächerlich, findet Ex-Wehrbeauftragter Robbe.

Bijan Djir-Sarai hält es kurz und knapp. „Das Votum des Außenministeriums ist enttäuschend und nicht nachvollziehbar“, teilt der FDP-Generalsekretär am Sonntagmorgen auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Der Außenpolitiker kritisiert damit die deutsche Enthaltung bei einer UN-Resolution zum Krieg zwischen Israel und der radikalen Palästinenserorganisation Hamas, ohne indes Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beim Namen zu nennen.

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Die UN-Vollversammlung in New York hatte am Freitag mit großer Mehrheit eine „sofortige humanitäre Waffenruhe“ im Gazastreifen gefordert. Bei einer Dringlichkeitssitzung stimmten von den 193 Mitgliedstaaten der UNO 120 Staaten für die Resolution, 14 Staaten votierten dagegen, 45 Staaten enthielten sich.

Frankreich dafür, Österreich dagegen

Bei der Abstimmung zeigte sich auch die unterschiedliche Haltung westlicher Länder zu Israels Vorgehen nach dem Hamas-Angriff im Gazastreifen: Während Frankreich für die Resolution stimmte, enthielten sich Deutschland, Italien und Großbritannien der Stimme. Israel, Österreich, Tschechien und die USA votierten gegen den Text.

Wie umstritten die Resolution und das Abstimmungsverhalten Berlins sind, zeigen schon Meinungsverschiedenheiten innerhalb der FDP. So vertritt der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrich Lechte, eine andere Auffassung als sein Parteifreund Djir-Sarai. Lechte nennt die Enthaltung Deutschlands „nachvollziehbar“. Einer UN-Resolution, die den Terror der Hamas und die Verurteilung der barbarischen Gräueltaten nicht klar und deutlich benenne, könne Deutschland nicht zustimmen, argumentiert Lechte. Warmer Adenauer, kühler Schmidt und bewegter Kohl Die Bundeskanzler und ihre Beziehung zu Israel

Diese Haltung ist in Deutschland weithin Konsens. Aus der größten Oppositionsfraktion, der CDU/CSU, kamen beispielsweise Rufe, Deutschland hätte die Resolution ablehnen müssen. In SPD-Kreisen gibt es ebenfalls diese Auffassung. Der frühere Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) sagte dem Tagesspiegel, die Bundesaußenministerin habe gewusst, „dass Deutschland schon einmal mit einer Enthaltung bei der UN (2011 bei der Libyen-Resolution) eine politische Bruchlandung erlitten hat. Diese erneute Enthaltung steht in diametralem Gegensatz zu allen sonstigen Erklärungen der Bundesregierung.“

Mit dieser Enthaltung werde der Grundsatz, wonach Israels Sicherheit Teil der deutschen Staatsräson ist, in eklatanter Weise konterkariert, sagte Robbe, einst Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft: „Statt – wie andere enge Verbündete Israels – die inakzeptable UN-Resolution abzulehnen, macht sich Deutschland international lächerlich. Und die jüdischen Menschen in Deutschland fühlen sich in dieser prekären Lage von der eigenen Regierung schwer enttäuscht und verlassen.“

Lechte sagt, Deutschland stehe klar an der Seite Israels, und Israel habe ein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Selbstverteidigung. Sodann folgt ein Hinweis, mit der der FDP-Außenpolitiker die Enthaltung Berlins rechtfertigt: Es müssten, sagt er, „Gesprächskanäle offengehalten werden, um weiteres ziviles Leid auf beiden Seiten zu verhindern sowie die immer noch gefangen gehaltenen Geiseln freizubekommen“.

Baerbock verteidigt die deutsche Enthaltung

Außenministerin Baerbock hatte nach der Abstimmung erklärt, dass wichtige Punkte wie „eine klare Verurteilung aller Terrorakte und zumindest ein Ruf nach Freilassung der Geiseln“ zwar in dem Text enthalten seien. „Weil die Resolution den Hamas-Terror nicht klar beim Namen nennt, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug gefordert und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigt, haben wir mit vielen unserer europäischen Partner entschieden, der Resolution am Ende nicht zuzustimmen“, begründete die Ministerin die Stimmenthaltung Deutschlands.

Votum in New York war mit Scholz abgestimmt

Das deutsche Abstimmungsverhalten bei derart heiklen Themen wird üblicherweise vom Auswärtigen Amt mit dem Kanzleramt entschieden. In diesem Falle hätten Baerbock und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Enthaltung einvernehmlich entschieden, hieß es am Sonntag in Regierungskreisen. Der Koalitionspartner FDP sei vor der Abstimmung unterrichtet worden.Die EU, Palästina und der globale Süden Der nagende Vorwurf der Doppelmoral

Die Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York habe „sehr intensiv“ an dem von Jordanien eingebrachten Resolutionsentwurf gearbeitet, heißt es in Regierungskreisen. Am Ende habe man zwar einige Punkte, durchgesetzt, andere aber nicht.

„Top-Priorität Geiselbefreiung“

„Top-Priorität ist, die Geiseln freizubekommen, humanitär das Leid zu lindern und einen Flächenbrand zu verhindern, der die ganze Region ins Chaos stürzen würde“, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Teile der Weltgemeinschaft drohten wegen des Leids der Menschen in Gaza „gerade wegzubrechen“. Für die Sicherheit Israels und eine nachhaltige Lösung des Nahostkonflikts sei das eine reelle Gefahr. Deshalb sei es wichtig, dass Deutschland, für das „Israels Sicherheit Staatsräson ist, weiter über belastbare Gesprächskanäle in die arabische Welt verfügen. Ob diese Gesprächskanäle offen bleiben, hängt auch von unserem Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen ab.”

Die Resolution stellt nun anders als in ihrer ursprünglichen Fassung dar, dass die Angriffe des 7. Oktober Auslöser der Eskalation sind. Ferner verurteilt sie alle Terrorakte, ruft zur Befreiung der Geiseln auf und bekräftigt das Bekenntnis zur Zwei Staaten-Lösung. Die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse sprach in New York von „erheblichen Mängeln“ des Textes. Leendertse dankte Kanada für die Einreichung eines Änderungsantrags, der die Verantwortung der Hamas klar benannt und eine eindeutigere Formulierung vorgeschlagen hatte. Deutschland habe daher den kanadischen Änderungsantrag unterstützt und bedauere zutiefst, dass er nicht die erforderliche Mehrheit erhalten habe.


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