Reisepässe und Personalausweise sollen in der EU komplett digital werden, Grenzkontrollen mit biometrischen Erkennungsverfahren erfolgen. Es hagelt Kritik.
06.04.2023 21:54 Uhr
- Von Stefan Krempl
Reisepässe und Personalausweise werden abgeschafft, geht es nach den Vorstellungen der EU-Kommission. Stattdessen soll es nur noch digitale Dokumente geben. Spätestens seit der Corona-Pandemie würden Bürger „den Einsatz kontaktloser Technologien als grundlegende Voraussetzung für ein sicheres und reibungsloses Reisen“ erwarten, schreibt die EU-Kommission. Sie möchte „mit Blick auf einen sichereren Schengen-Raum die Sicherheitsbestimmungen stärken“, Reisen vereinfachen „und so die Attraktivität der EU erhöhen“.
„Die ausschließliche Verwendung physischer Dokumente erschwert effiziente Grenzübertrittskontrollen, und die Ausstellung solcher Dokumente an abgelegenen Orten kann Probleme aufwerfen, sodass letztlich der internationale Reiseverkehr behindert wird“, steht in einem Dokument, das im Herbst Grundlage einer öffentlichen Sondierung der Folgenabschätzung war. „Die Nutzung biometrischer Lösungen“ soll „den für das Screening“ und Grenzkontrollen zuständigen Behörden ermöglichen, „zuverlässiger die Identität von Reisenden festzustellen und gleichzeitig das mit den einzelnen Reisenden verbundene Risiko zu verringern“. Von den 360 Stellungnahmen zur Folgenabschätzung waren fast alle negativ.
Öffentliche Konsultation läuft bereits
Trotzdem macht die Kommission weiter und konsultiert jetzt mehrere Varianten der „Digital Travel Credentials“ (DTC). Bis 28. Juni kann jedermann der EU-Kommission über einen Fragebogen seine Meinung zu den digitalen Reisedokumenten sagen. Als eine Option stellt die Behörde eine EU-Verordnung in den Raum, mit der die Mitgliedstaaten verpflichtet würden, den geplanten DTC-Standard der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) umzusetzen.
Bürger sollen dann Grenzen ohne herkömmliche E-Gates oder Kontrollkabinen passieren können. Im Gegenzug erfolge ein „umfassender Abgleich biometrischer Daten“. Die EU baut dafür bereits seit einigen Jahren eine Biometrie-Superdatenbank über alle IT-Systeme im Sicherheitsbereich hinweg auf. Ein Gesetzesvorschlag soll im dritten Quartal 2023 erfolgen.
Über 300 kritische Stimmen schon im Herbst
Bei der Sondierung zur Folgenabschätzung im Herbst gab es 360 Stellungnahme – fast alle negativ. Beispielsweise hat die National Health Federation Schwedens, die sich für Naturmedizin starkmacht, das Vorhaben bei der Sondierung im Herbst heftig kritisiert: Es seien allein die Regierungen der EU, „die das Bedürfnis haben, den Gesundheitszustand der Menschen“ und erfolgte Impfungen zu kontrollieren. Das sei „ein ungesunder Ansatz“, der die Idee zerstöre, dass jeder mit Pass oder Ausweis frei reisen dürfte. Zudem werde die Person, die ein Reisedokument im Mobiltelefon mit sich führt, über die GPS-Funktion verfolgbar. Schon dies allein stelle „eine große Bedrohung für die Privatsphäre dar“.
Auch andere Teilnehmer sehen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet. Wenn die Daten von Ausweisen kontaktlos abgefragt werden könnten, verliere man schnell die Kontrolle darüber. Digitale Reisedokumente seien unsicher und reduzierten Menschen auf biologische Merkmale wie Fingerabdrücke, Gesicht und Iris. Mit entsprechenden Scans erhalte die Künstliche Intelligenz (KI) zu viel Macht, obwohl diese eigentlich keine solche Entscheidungen treffen sollte.
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