2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung sind provokant zu viel

(von Albrecht Künstle)

Bundesmarine: Deutschland will “kriegstüchtig” werden – notfalls auch in einem Europäischen Verteidigungsbündnis statt in der NATO

Deutschlands Kriegstreiber sind nicht minder skrupellos als Trump. Dieser hatte nun erklärt, unter seiner Führung werde die USA kein NATO-Land mehr unterstützen, das seine 2-Prozent-Forderung für Rüstungsausgaben nicht erfülle und von Russland angegriffen werde. Das wirft zum einen die Frage auf, wann Russland jemals ein NATO-Land angegriffen hat; wann und wo hat Putin jemals auch nur anklingen lassen, irgendein NATO-Land angreifen zu wollen? Und zum anderen stellt sich die Frage, ob wir wirklich zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts ins Militär stecken müssen – ganz so, als ob wir keinen Arbeitskräftemangel hätten!? Ist uns Russland militärisch wirklich überlegen? Was braucht es noch, um Putin in Schach zu halten?

Unsere Säbelrassler vom Dienst, “Panzer-Toni” Hofreiter, die Haubitze Strack-Zimmermann, Spezialdemokrat Hellmich und seine Kollegin im Geiste Barley („wir brauchen jetzt Atomwaffen“), „Kriegsfähigkeitsminister“ Pistorius, CDU-Scharfmacher Kiesewetter und andere dürften jetzt klammheimlich Freude über die Steilvorlage von Trump haben und nun sogar endlich politische Mehrheiten für Ihre Aufrüstungspläne bekommen. Doch so, wie ich in den Achtziger Jahren zu jenen gehörte, die nachwiesen, dass es keine Nachrüstung brauche – damals auch nicht mit atomaren Mittelstreckenraketen -, will ich hiermit den Beweis antreten, dass eine weitere Aufrüstung Europas fehl am Platze ist.

Kriegerische Bündnispartner ziehen lassen

„Bündnispartner“, die wie die USA Kriege in aller Welt anzetteln, oder wie beispielsweise die Türkei, die gegen die Kurden in Nachbarländern (und im eigenen Land) Krieg führen, sollten wir eigentlich lieber gestern als morgen von dannen ziehen lassen. Wir Europäer sind stark genug, uns gegen vermeintliche, potenzielle oder tatsächliche Angreifer zu verteidigen. Die Art der „Vorwärtsverteidigung“ wie derzeit in der Ukraine ist politisch und militärisch äußerst fragwürdig, zumal es dort nicht um „demokratische Werte“ geht, sondern Machtinteressen dahinterstecken. Doch nun zu den nackten Zahlen: Weil das Material von SIPRI, hier das Jahrbuch 2023, zu umfangreich und außerdem auf Englisch ist, greife ich hier auf das Statistische Bundesamt zurück.

Die NATO ist Russlands Truppe und in allen konventionellen Waffengattungen weit überlegen (hier der Vergleich der Kräfteverhältnisse). Russland verfügt über 1,33 Millionen aktive und passive Soldaten, die NATO über 5,82 Millionen. Das ergibt eine über 4,4-fache Überlegenheit der NATO nach Mannstärke. Die Luftwaffe ist Russland 4,9-fach überlegen. Nicht so deutlich ist die Überlegenheit bei den Landstreitkräften, allerdings hat die NATO mit über einer Million gepanzerten Fahrzeugen eine 6,6-fache Überlegenheit aufzuweisen . Auch bei den Seestreitkräften herrscht eine 3,6-fache Überlegenheit der NATO. Alleine bei den Atomwaffen besteht ein Patt mit jeweils (furchtbar vielen) rund 6 Millionen Sprengköpfen!

EVP statt NATO: Immer noch Russland voraus

Wie sähe es denn nun aus, wenn wir Europäer den USA und der Türkei die Türe weisen würden, sofern sie nicht freiwillig gehen, und aus dem nordatlantischen Bündnis einen rein Europäischen Verteidigungspakt (EVP) machen würden? Hier die Statistik zu den Streitkräften der einzelnen Länder (frei kann man seit kurzem leider nicht mehr zugreifen, obwohl das bisher stets problemlos möglich war; deshalb seien die Zahlen selbst kurz errechnet): Zieht man die 1,8 Millionen Soldaten von USA und Türkei und die 66.500 von Kanada ab, dann verblieben dennoch rund 4 Millionen europäische Soldaten. Auch ohne die neuen Mitgliedsländer Finnland und Schweden hätten wir also dreimal so viele konventionelle europäische Streitkräfte wie Russland.

Auch bei den anderen Waffengattungen und Teilstreitkräften wären die Einbußen verschmerzter und würden kaum ein russisches Übergewicht bewirken. Einzig bei den Atomwaffen würde sich das Kräfteverhältnis zugunsten Russland verschieben, wobei eine Bombe im Prinzip ausreicht für die finale Katastrophe (dennoch träumen Strack-Zimmermann und sogar Grüne neuerdings von der EU-Atombombe). Wozu also braucht es dann überhaupt die Erhöhung unserer Militärausgaben? Zur „Verteidigung“ jedenfalls nicht. Den Amis können wir sagen: Wir haben nichts gegen eure 3,9 Prozent Militärausgaben – aber lasst uns in Ruhe damit! Würdet ihr nicht dauernd Weltpolizei spielen wollen und keine fernen Länder mehr provozieren, bräuchtet ihr auch nicht so viel „Angst“ vor diesen Ländern zu haben.

Kriege lohnen sich nur für die Rüstungsindustrie

Für die Ukraine sieht es dagegen schlecht aus, wie dieser Militärvergleich mit Russland zeigt. Sie hatte – als größtes Land Europas – letztes Jahr eine halbe Million Mann unter Waffen. Aber das war einmal; es wurden weniger – durch Verluste, korrupte Befreiung vom Kriegsdienst und Desertion. Aktive Soldaten hatte Russland zweieinhalb mal so viele wie die Ukraine. Doch wenn man um diese Kräfteverhältnisse wusste, dann hätte man eben nicht jahrelang ethnische Russen in den beiden östlichen Ländereien (Luhansk, insbesondere Donezk) bekämpfen und Russland als deren erklärte Schutzmacht bis aufs Blut reizen dürfen, wie das geschehen ist. Wobei die Ukraine das nicht einmal von sich aus tat, sondern von den USA dazu ermutigt oder sogar angestiftet wurde. Vielleicht würden die Karten ja völlig neu gemischt, säßen die USA nicht länger im Cockpit der NATO? Dann könnten sie Europa auch nicht mehr länger auseinanderdividieren. Doch würden wir der Ukraine und uns selbst damit wirklich einen Gefallen tun, würden wir dieses bisher formell neutrale Land in das angefachte neue Europäische Militärbündnis aufnehmen? 2 Prozent vom BIP für Militärausgaben würde die Ukraine jedenfalls lässig erfüllen: Es wären 2 Prozent von nichts, weil die Wirtschaft komplett am Boden liegt.

Was ist die Lehre aus der Geschichte? Kriege sind nicht zu gewinnen, sie lohnen sich für keine Seite – außer der Rüstungsindustrie. Schon bloße Kriegsvorbereitungen sind ein Wohlstandskiller, denn der „Kuchen“ unserer Wirtschaftsleistung kann nicht zweimal vervespert werden. Entweder arbeiten wir für ein Leben in Wohlstand – oder wir verzichten auf diesen für die Aufrüstung. Deshalb: Bringt unsere Bundeswehr auf Vordermann, und gut ist! Kein Euro mehr für einen Rüstungshaushalt, der 1,5 Prozent BIP überschreitet! Wie wird Putin andernfalls reagieren, wenn wir trotz unserer bereits vorhandenen Überlegenheit weiter aufrüsten? Hoffentlich nicht, indem er seinen einzigen Trumpf aus dem Ärmel holt und auf den Tisch knallt – seine Atomwaffen…


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