Wir stricken uns ein Feindbild:

Handarbeit und Picknicks sind für linke Historikerin voll Nazi

Historikerin und Autorin Annika Brockschmidt detektiert neue Sphären “rechter” Bedrohung

In Berlin kam es erwartungsgemäß zu den nächsten Silvester-Randalen, obwohl die Polizei zuvor um Gnade gebeten hatte. Obwohl eine pro-palästinensische Demo verboten worden war, wurde eine andere genehmigt und sorgte im wahrsten Sinne des Wortes für weiteren “Sprengstoff”. Nicht nur das gestrige Silvester war wieder Ausdruck der “neuen Zeit” in Deutschland. Weihnachtsmärkte mussten mit Barrikaden und schwer bewaffneten Polizisten vor Attentaten geschützt werden, am Kölner Dom herrschte Bombenstimmung. In Thüringen soll noch schnell vor der Landtagswahl im nächsten Herbst die Verfassung geändert werden, um der ungeliebten Opposition ihren anstehenden Erfolg zu vermiesen. Währenddessen veröffentlicht die Antifa auf der Plattform “Indymedia” die Privatadressen von AfD-Politikern, um ihren Kameraden den Weg zu Sachbeschädigung und Körperverletzung zu zeigen. Es knirscht an allen Ecken und Enden der Republik.

Wie gut, dass da die linke Historikerin Annika Brockschmidt die wahre Gefahr für Deutschland erkannt hat: Rechte Undercover-Agentinnen in harmlos wirkenden Handarbeitszirkeln, welche mit Strick- und Häkelnadeln unsere Gesellschaftsordnung stürzen wollen! Die Masche ist mächtiger als das Schwert! Werden da etwa Socken für den nächsten Russlandfeldzug gestrickt, damit es im Winter diesmal garantiert klappt? Das wäre allerdings derzeit eher ein Projekt für die Grünen, die schließlich dereinst selbst mit Nadeln und Wolle im Bundestag saßen und damals noch “richtige” Nazis in ihren Reihen beherbergten. Auch vor ein paar Jahren mischte eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung die Kindergärten auf. Gemeinsam mit der damaligen Familienministerin Franziska Giffey sollten Erzieherinnen sensibilisiert werden, auf einen rechten Familienhintergrund ihrer Schützlinge zu achten: Gutes Benehmen, Sportlichkeit bei Jungs und Handarbeitsfertigkeiten bei Mädchen galten als Alarmzeichen. Nicht auszudenken, wenn der wohlerzogene Junge etwa in seiner Freizeit gestrickt hätte – das hätte das gesamte Feindbild durcheinander gebracht!

Früher galt es einmal als eher links-alternativ, Dinge selbst anzufertigen, um sich der kapitalistischen Konsumgesellschaft zu entziehen. Während wir bei unserer älteren Handarbeitslehrerin das Bedienen einer Trampel-Nähmaschine lernten, fertigte die junge Referendarin mit uns Halstücher aus gebatikten Baumwollwindeln an. Selbstgenähtes und -gestricktes galt als Ausdruck von Individualität, auch wenn wir als Kinder lieber gekaufte Markenkleidung gehabt hätten. Vielleicht ist es dieses Individuelle, das heutigen Linken unheimlich ist. Linke Feministinnen wie Judith Butler wollen uns in einheitlicher Unisex-Kleidung sehen, die Geschlechterunterschiede verschwimmen lässt – oder gleich unter der alles verbergenden Burka. Im real existierenden Sozialismus hingegen konnten sich Frauen glücklich schätzen, die sich auf das Lesen von Schnittmustern verstanden. Auch autonome Wohngruppen auf dem Land fand man früher eher in links-grünen Kreisen, heute, da Bio-Produkte die Discounter erobert haben, gelten Selbstversorger eher als verdächtig.

Vielleicht ist es aber auch die Freude an traditionellen, schönen Dingen, welche den Anhängern von Weltuntergangstheorien sauer aufstößt. Deshalb gerieten schon harmlose Zeitschriften wie die “Landlust” in Verdacht, “rechts” zu sein, weil es darin Anleitungen gibt, wie man seine Wohnung mit Selbstgemachtem aus in der Natur gefundenen Dingen verschönern kann. Ländliches Leben zu preisen, obwohl wir doch idealerweise alle auf einem Haufen in der Stadt leben sollen, erscheint verdächtig. Wer mit seinen eigenen Händen etwas anfertigen kann, sei es nun ein Kleid oder ein Stuhl, gewinnt daraus nicht nur Selbstbewusstsein sondern auch ein wenig Unabhängigkeit. Geld spart man dadurch im Zeitalter der Massenproduktion zwar nicht unbedingt, aber man besitzt etwas nach eigenen Vorstellungen Gestaltetes. Zwar wird heute ständig nach der Nachhaltigkeit von Produkten gerufen, aber Selbstgefertigtes, das sicherlich kein Wegwerfprodukt ist, wird auch nicht gewünscht. Die Ideologie verfängt sich in den eigenen Fallstricken.

Übertragungsangst vor “Unterwanderung”

Ein wenig “Was ich selber denk’ und tu…” steckt natürlich auch in der Angst vor der “Unterwanderung durch rechte Frauen“. Linke wissen, wie man Netzwerke bildet und kennen deren Effektivität. Auch die Antifa unterhält ein relativ “harmloses” Netzwerk von Hausaufgabenhilfe und Sportaktivitäten für Jugendliche aus sozial schwachen Haushalten. Eigentlich keine schlechte Sache – aber man kann sich denken, dass dort auch der Nachwuchs für weniger gewaltfreie Aktionen rekrutiert wird. Und ja: Auch konservative Frauen werden sich eher einem Kreis anschließen, der Konservatives bietet und keiner postfeministischen Kampftruppe. Hier gibt es allerdings keinen Schwarzen Block, der mit Stricknadeln Andersdenkende attackiert. Also, warum die Panik? Weil Nichtlinke auch ihren Anteil an gesellschaftlichen Aktivitäten haben wollen? Es wird befürchtet, man könne die Oberhoheit über Wohnzimmer und Hobbygruppen verlieren – weil viele Bürger es satt haben, sich in ihr Privatleben hineinreden zu lassen. Wer hier Umsturzaktivitäten vermutet, sollte sich fragen, ob er nicht vielmehr die eigenen Umsturzaktivitäten gefährdet sieht.

Während des Zweiten Weltkriegs, vor allem nach der Niederlage von Stalingrad, konnte es übrigens tödlich enden, wenn man öffentlich erwähnte, dem Sohn an der Front Selbstgestricktes gegen die Kälte schicken zu wollen. Damit verriet man nämlich mangelnden Glauben an den “Endsieg“. Wenn ein besonders systemgläubiger Mensch mit großen Ohren einen bei den Behörden meldete, war es aus. Das hört sich absurd an, ist aber durch Berichte des Sicherheitsdienstes belegt. Offenbar hatte den Nazis niemand gesagt, dass es “Nazi” ist, selbst zu stricken. Da wird die Amadeu-Antonio-Stiftung wohl mal auf Zeitreise gehen müssen…