Selenskyj büßt an Beliebtheit ein. Bei der kommenden Präsidentschaftswahl könnte er sein Amt verlieren. Eng werden könnte es vor allem, wenn ein bestimmter Mann antritt.
Angespannte Stimmung in Kiew: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gerät immer mehr unter Druck. Laut einer Umfrage des ukrainischen Umfrageinstituts Rating liegt ein anderer Mann in der Gunst der Bevölkerung derzeit weit vorne. Das berichtet die ukrainische Online-Zeitung „Ukrajinska Prawda“. Dabei handelt es sich ausgerechnet um den Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj.
Lange Zeit präsentierten sich die beiden als Einheit. In Kriegszeiten, so die Aussage dahinter, stehen Politik und Militär Seite an Seite. Doch seit einiger Zeit kriselt es im Verhältnis der beiden.
Zuletzt schrieb Armeechef Saluschnyj in der britischen Zeitung „The Economist“, dass sich der Krieg in einer Pattsituation befinde und die Ukraine nur mit technologisch anspruchsvoller Unterstützung aus dieser Lage herauskommen könne.
Selenskyj ringt um Unterstützung
Ein wunder Punkt für Selenskyj, der derzeit international wie national um Unterstützung ringt. In einer seiner täglichen Videobotschaften im Oktober forderte er von seinen Truppen: „Die Ukraine braucht jeden Tag neue Erfolge.“ So müssten die Truppen täglich einen Kilometer „oder wenigstens 500 Meter“ vorwärtskommen. „Das motiviert die Welt, uns zu unterstützen, es beweist, dass der russische Terror nicht funktionieren wird“, sagte er weiter. Auch bei seinem Besuch in Washington ging es um die Frage nach weiteren Militärhilfen für die Ukraine (mehr dazu lesen Sie hier)
Dem gegenüber steht nun Saluschnyj. Der Armeechef ist populär, besonders unter Militärs, aber auch in der Zivilgesellschaft. Obwohl er keiner Partei angehört und sich nur selten in den Medien zeigt, gewinnt er immer mehr an Zuspruch. Käme es zu einer Stichwahl zwischen ihm und Selenskyj, so das Ergebnis der aktuellen Umfrage, läge er vorne.
Selenskyj: „Halte ich für einen großen Fehler“
Selenskyj weiß, dass er derzeit nicht den besten Stand hat. Auf Saluschnyjs Äußerungen zur Pattsituation des Krieges reagierte der amtierende Präsident mit einem Interview in der englischen Boulevardzeitung „The Sun“. Dieser sagte er: „Wenn Sie sich mit dem Krieg auseinandersetzen und gleichzeitig daran denken, dass Sie morgen Politik machen oder sich zur Wahl stellen werden, dann handeln Sie – sowohl in Ihrer Wortwahl als auch an der Front – wie ein Politiker und nicht wie ein Angehöriger des Militärs, und das halte ich für einen großen Fehler“
Auch bei internen Terminen im Hauptquartier stichelt Selenskyj Augenzeugen zufolge gegen Saluschnyj. „Der Präsident fragt Sachen wie ’na, rücken wir heroisch vorwärts – mit einem neuen Rückzug um 200 Meter?’“, zitiert der „Spiegel“ entsprechende Berichte. Laut „Ukrajinska Prawda“ soll Selenskyj gar über eine Entlassung des Armeechefs nachdenken.
Gleichzeitig mische sich Selenskyj zunehmend in militärische Entscheidungen ein, heißt es. So berichten etwa verschiedene ukrainische Medien, dass Selenskyj in täglichem Kontakt zu einem der Kommandeure der Gegenoffensive stehe.
Klitschko unterstützt General
Saluschnyj ist nicht der einzige hochrangige Ukrainer, der Selenskyj derzeit kritisiert. Zuletzt hatte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko im „Spiegel“ gesagt, dass sich die Ukraine in Richtung Autoritarismus bewege. „Ab einem gewissen Moment werden wir nicht anders sein als Russland, wo alles von den Launen eines einzelnen Mannes abhängt“, so der ehemalige Boxweltmeister. Klitschko gilt als Unterstützer von General Saluschnyj.
Doch wer ist der General? „Saluschny ist eine geradezu mythische Figur. Kaum einer kennt ihn persönlich, aber alle reden von ihm, er symbolisiert die Streitkräfte“, zitiert der „Spiegel“ den Politologen Wolodymyr Fesenko. Genau deswegen werden ihm nun wohl Ambitionen unterstellt. „Viele sehen in ihm schon einen ukrainischen Eisenhower“, so Fesenko weiter. Gemeint ist der populäre US-General Dwight D. Eisenhower, der nach dem Zweiten Weltkrieg US-Präsident wurde. Ob Saluschnyj selbst überhaupt Interesse an einem politischen Amt hat, ist unklar. Widersprochen hat er den Gerüchten allerdings bislang auch nicht. Mehr zum Armeechef lesen Sie hier.
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Wie sich die Sympathien der Bevölkerung bis zur nächsten Präsidentschaftswahl entwickeln, bleibt abzuwarten. Zumal noch unklar ist, wann die Ukrainer das nächste Mal zur Urne gehen werden. Turnusgemäß müsste die Wahl im März 2024 stattfinden, doch das hatte Selenskyj zuletzt mit Verweis auf den geltenden Kriegszustand in der Ukraine abgelehnt. Derzeit befindet sich eine Million Soldaten an der Front, sechs Millionen Ukrainer sind im Ausland und rund 17 Prozent des Staatsgebiets sind von Russland besetzt.
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