Aus diesen Gründen sind die meisten Flugzeuge weiß lackiert

Wer schon häufiger geflogen ist, wird bemerkt haben, dass viele Passagierflugzeuge großteils weiß angestrichen sind. Zufall ist das nicht. Wieso es sinnvoll ist, dass die meisten Flieger so einen Anstrich haben.

Wieso gibt es eigentlich so viele Passagierflugzeuge in Weiß? Geschieht das nur im Rahmen des Brandings oder steckt mehr hinter der Farbwahl? Der reisereporter hat sich umgehört und erfahren, dass es für das Phänomen mehrere Erklärungen gibt.

Viele Maschinen sind weiß: Hier startet eine Lufthansa-Bombardier CRJ-900 vom Frankfurter Flughafen.

Weiß ist zum Beispiel Bestandteil des Brandings vieler Fluggesellschaften der Lufthansa-Gruppe. Laut Michael Lamberty, Sprecher der Lufthansa-Group, kommt es bei dem Ton primär auf die Erkennbarkeit und Unverwechselbarkeit an.

Außerdem hätten Flugzeuge stets eine elegante Anmutung, wenn viel Weiß vorhanden sei. „Weiß symbolisiert Sauberkeit und kann bei längerer Bodenzeit und hoher Außentemperatur vorteilhaft sein, da sich die Außenhaut des Flugzeugs in geringerem Maße erwärmt“, schildert Michael Lamberty.

Eine Frage des Aufwandes und der Nachhaltigkeit

„Weiße Farbe ist weit verbreitet und erleichtert die Erkennung von Mängeln, wenn Piloten und Flugzeugingenieure das Flugzeug inspizieren“, erklärt ein Sprecher der britischen Fluggesellschaft Easyjet und geht auf den Aspekt der Nachhaltigkeit ein: Ein einfacher einfarbiger Anstrich sei leichter und könne den Betreibern ermöglichen, den Treibstoffverbrauch und die damit verbundenen Kohlenstoffemissionen zu reduzieren.

Bei Dämmerung noch sichtbar: Auch die Passagierflieger von Easyjet sind weiß.

„Tatsächlich arbeiten wir bei Easyjet mit einem unserer Lacklieferanten zusammen, um unsere eigene weiße Formulierung zu entwickeln, damit wir weniger davon verwenden können“, teilt der Sprecher mit. Der Grundanstrich diene zudem auch als Leinwand für wichtige Markierungen und Informationen an der Außenhülle des Flugzeugs, die in der Luftfahrt vorgeschrieben sind – ein weißer Anstrich sorge dafür, dass sie gut sichtbar sind.

Hohe Anforderungen an Lackierung

Weiß lackiert sind auch Flugzeuge von der Lufthansa-Tochter Eurowings. „Der Farbton ist immer gleich, damit Flugzeugkomponenten bei Bedarf untereinander getauscht werden können, ohne erst passend nachlackiert werden zu müssen“, erklärt Eurowings-Pressesprecherin Anke Carola Walter.

Die Anforderungen an die Lackierung der Oberflächen eines Flugzeugs sind dabei sehr hoch: Der Außenlack muss, wie Anke Carola Walter erklärt, nämlich nicht nur das Branding in Form der Lackierung, im Fachjargon auch Livery genannt, optisch ansprechend repräsentieren: „Die Lackierung ist ein technisches System, das die Strukturen des Flugzeugs dauerhaft vor Korrosion und Erosion schützen muss, und das unter widrigsten Bedingungen.“

Die Lackierung eines Flugzeuges muss sämtlichen Wetterbedingungen, Temperaturen und Erschütterungen standhalten, denen es ausgesetzt wird.

Wie der Sprecher der Lufthansa-Group, Michael Lamberty, erklärt, dürfen Temperaturwechsel von plus 70 Grad Celsius bis minus 60 Grad innerhalb weniger Minuten dem Lack genauso wenig anhaben wie die intensive UV-Strahlung in großer Reiseflughöhe. Wegen der schwingenden Tragflächen und einer sich ausdehnenden Druckkabine muss der Lack auch in extremer Kälte elastisch sein, gleichwohl Regen, Hagel, Eiskristallen und Sandkörnchen widerstehen. Kerosin darf ihm ebenso wenig ausmachen wie Öl oder Hydraulikflüssigkeiten. Auch unter starker UV-Strahlung dürfen die Farb-Pigmente nichts an Brillanz verlieren, so Michael Lamberty.

Eine vollständige Neulackierung dauert bei einem Kurzstreckenflugzeug wie einem Airbus A320 etwa fünf Tage. Für ein Langstreckenmuster wie die Boeing 747 brauche man für einen neuen Anstrich etwa doppelt so lange, informiert der Sprecher der Lufthansa-Group, Michael Lamberty.

Auf die Zusammensetzung kommt es an

Damit das Lacksystem allen Anforderungen gerecht werden kann, sind nach Angaben von Anke Carola Walter nicht nur der Lackaufbau auf den verschiedenen Oberflächen und die zulässigen Grundierungen, Farben und Lacke durch den Flugzeughersteller verbindlich festgelegt, sondern auch die zur Lackierung anzuwendenden Verfahren. „Während die chemische Zusammensetzung der Farben hier ausschlaggebend ist, ist der Farbton dabei auf den meisten Oberflächen des Flugzeugs frei wählbar, solange die Vorgaben der Bauvorschrift für Großflugzeuge eingehalten werden“, fasst die Eurowings-Sprecherin zusammen.

Ein Airbus A320 bekommt einen neuen Anstrich.

Der Sprecher des europäischen Flugzeugherstellers Airbus, Heiko Stolzke, erläutert: „Bei der Flugzeuglackierung gibt es keine spezielle Vorgabe für Weiß. Die Airlines können das Design im Rahmen ihres Brandings definieren. So gibt es beispielsweise auch schwarz lackierte Flugzeuge oder Motiv-Lackierungen mit bunten Schildkröten.“

Oft werde das Flugzeug auch später in der Wartungsbasis der Airlines lackiert oder mit Sonderbemalungen versehen. Dies sei dann eine Entscheidung der entsprechenden Fluggesellschaft, ebenso die Intervalle zwischen Lackierungen, erklärt der Airbus-Sprecher.

So oft wird lackiert

Eine neue Lackierung wird, wie Michael Lamberty erklärt, in der Regel im Rahmen einer großen Überholung vorgenommen, dem sogenannten D‑Check. Dieser sei je nach Einsatz und Flugzeugtyp alle fünf bis zehn Jahre notwendig. „Im Rahmen einer Zwischenliegezeit (IL-Check) wird der Lack obendrein alle fünf bis sechs Jahre auf Oberflächenglanz, Sprödigkeit, Rissbildung oder Farbtonveränderungen überprüft und bei Bedarf ausgebessert.“

A350-900, D-AIXA, Nürnberg, bei der Lackierung

Die Oberflächen des Flugzeugs werden, wie Anke Carola Walter erklärt, regelmäßig gereinigt und kontrolliert. Kleinere Lackschäden im laufenden Betrieb werden per „Touch-up“ repariert. Dabei handelt es sich nach Angaben der Sprecherin um eine lokal begrenzte Farbreparatur.

Durch die starke Erosion komme es beispielsweise immer mal vor, dass in kleinen Bereichen die oberste Lackschicht beschädigt werde. In dem Fall reparieren Kollegen und Kolleginnen der Maintenance die betroffene Stelle mit einem fachmännischen Pinselanstrich, damit Korrosionsschutz und Erscheinungsbild wiederhergestellt werden.