Es ist unbestritten: Die Nachkriegszeit in Deutschland ist mit der Geschichte des einst großen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ untrennbar verbunden – auch wenn (oder gerade weil) die Beziehungen zwischen den meist konservativen Regierungen mit dem unangepassten, linken „Spiegel“ öfters konfliktbehaftet waren. Unvergessen ist die Eskalation in der „Spiegel-Affäre“, basierend auf einer Fehde zwischen dem damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß und dem Journalisten Rudolf Augstein. Sie löste 1962 eine Regierungskrise aus, Strauß musste zurücktreten. Die “Spiegel-Affäre” gilt seitdem als Meilenstein in der Verteidigung der Pressefreiheit in Deutschland. Auch heute noch gilt der “Spiegel“ vielen als angesehenes Politblatt in Deutschland; zumindest das muss ihm zugestanden werden, egal wie man sich politisch positioniert.
Allerdings muss man sich heute wirklich fragen, ob der “Spiegel“ seinen politischen und moralischen Kompass nicht längst verloren hat. Diese Frage drängst sich mehr auf denn je, wenn man den unsäglich dummen Kommentar unter dem Titel „Handle, bevor es zu spät ist“ von Ann-Katrin Müller liest, der vorgestern vom „Spiegel“ publiziert worden ist. Darin schildert die Autorin die angebliche Gefahr, die von der AfD ausginge. Sie zeigt auf, dass diese Partei in den drei ostdeutschen Ländern, in denen nächstes Jahr Parlamentswahlen stattfinden, zurzeit die stärkste Kraft darstellt. Weiter weist sie darauf hin, dass sie mit den durchaus möglichen 33 Prozent der Wähler im Osten (gemäß Umfragen liegt die Partei heute bei 32 Prozent) eine Sperrminorität innehatte. Damit könnte diese Partei – ob in der Regierung oder nicht – Einfluss nehmen auf die Besetzung von Richterstellen und andere wichtige Entscheidungen.
Fragwürdiges Demokratieverständnis
All diese Fakten sind von Müller korrekt vorgetragen und nicht von der Hand zu weisen. Was jedoch mehr als krude betrachtet werden muss, sind die von ihr aufgezeigten Möglichkeiten, wie denn diese Partei gestoppt werden könne, ja müsse. Diese Vorschläge jedoch werfen vor allem die Frage auf, wie es mit dem Demokratieverständnis nicht der AfD, sondern der Kommentatorin bestellt ist – und somit auch ihres Magazins, dem „Spiegel“.
Im Gruselkabinett von Müllers Ideen finden sich da beispielsweise: Entzug der Parteienfinanzierung, gezielte Benachteiligung der Partei, Geschäftsordnungstricks – und, natürlich, auch ein Verbot der Partei. Hier dringt die unsägliche Arroganz der Kommentatorin dann vollumfänglich durch. 32 Prozent der Wähler im Osten und deutlich mehr als 20 Prozent der Wähler in ganz Deutschland scheinen für sie schlicht und einfach geistig minderbemittelt. “Wenn sie partout nicht so wollen wie wir, ändern wir einfach die Spielregeln, solange bis es irgendwie passt” – das scheint hier die Devise zu sein. Schließlich funktionieren diese Gängelung und Benachteiligung ja auch heute schon bestens: In den öffentlich-rechtlichen Medien werden die Mitglieder dieser Partei systematisch ausgegrenzt. Im Gebührenfernsehen schließt man sie aus oder lässt allenfalls AfD-Politiker der zweiten Garnitur oder mit rhetorischer Schwäche auftreten, während die schlagfertigen Hochkaräter bewusst ferngehalten werden. Oder wann haben Sie zum letzten Mal eine Talkshow bei “Markus Lanz“, “Anne Will”, “Maischberger” und wie sie alle heißen gesehen, bei der ein wirklich eloquenter Vertreter der AfD eingeladen war? Vermutlich nie, oder dann können sie diese Male an einer Hand aufzählen.
Frustpotentiale verringern
Zahlen die Mitglieder oder Sympathisanten dieser Partei keine Gebühren? Wo bleibt denn hier die Ausgewogenheit? Aber auch hier gilt der mittelalterliche Spruch: „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing“ – jedoch nur im Hinblick auf die redaktionelle Abhängigkeit an die zurzeit Regierenden. Die Geschäftsordnungstricks der sogenannten etablierten Parteien lässt sich am besten im Bundestag bei der Wahl der Stellvertreter des Präsidenten sichtbar machen: Seit Bestehen der Republik wurde stets jeder Fraktion der im Bundestag vertretenen Fraktionen ein Stellvertreterposten zuerkannt. Selbstverständlich der AfD nicht. Bei der Gesetzgebung zu Gunsten der Finanzierung der Stiftungen wurde das Gesetz explizit so gestaltet, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung keine Mittel zugesprochen bekam. Das Vertrauen der Regierenden in die Vergesslichkeit des Bürgers scheint hier der Vater des Gedankens zu sein; bei dem Fünftel der westdeutschen beziehungsweise beim Drittel der ostdeutschen AfD-Sympathisanten hingegen dürfte all dies nicht so schnell in Vergessenheit geraten.
Diese Taktik der Journalismus-Aktivisten muss als wirklich hochgefährlich und verfassungsmäßig höchst bedenklich bezeichnet werden. Möglicherweise wurde damit ein weiterer Nagel in das Fundament des jetzigen Systems getrieben. Ann-Kathrin Müller treibt im “Spiegel” dasselbe Spiel, das ARD und ZDF im Fernsehen spielen. Auch die indirekten, eher subtilen Aspekte der Müller’schen Bekämpfungstaktik sind es Wert, genauer betrachtet zu werden; also die Maßnahmen, mit denen die Politik der AfD Wind aus den Segeln nehmen könnte, um das (offenbar als einziges Motiv ihrer Wähler anerkannte) Frustpotential zu verringern.
Naive Vorstellungen
Zum einen steht da die bessere Ausstattung der Kommunen in finanzieller und personeller Hinsicht im Raum. Welch hehrer Gedanke! Einzig die Frage, woher die Mittel und das Personal denn kommen sollen, ist damit noch nicht beantwortet. Bekanntlich fehlen der Bundesregierung ja etliche Milliarden in der Schatulle. Richtig allerdings ist, dass bezüglich der desolaten Zustände in den Kommunen, den Schulen, der Infrastruktur und in der Kommunikation dringender Handlungsbedarf besteht. Kommentatorin Müller meint dazu: „Denn wer bei sich vor der Haustür merkt, dass der Staat nicht mehr so funktioniert wie gewohnt, dass Alltagsprobleme nicht gelöst werden, der oder die lässt sich schneller anstecken von denen, die ‘Deutschland schafft sich ab’ grölen.“ Auch hier wiederum präsentiert sich die Ignoranz der Kommentatorin in voller Pracht: Glaubt diese Dame wirklich, dass alle diese 20 bis 32 Prozent der Bevölkerung in die Kategorie der Krakeeler gehören?
Glaubt sie allen Ernstes, dass viele der restlichen 67 bis 80 Prozent, auch wenn sie keine AfD wählen, nicht ebenfalls genau wissen, wie schlimm es in Wirklichkeit ist? Wieso das ehemalige Musterland Deutschland gerade in der neuesten Pisa-Studie dermaßen abgestürzt ist? Wieso die Bahn nicht fährt, wenn es schneit (“...und sie fährt auch nicht, wenn es nicht schneit”, wie Boris Palmer lakonisch anmerkte)? Meint sie, die abschmierende Wirtschaft, die Probleme mit der Massenmigration, die erodierende Sicherheit, die desolaten Schulen, Brücken und Straßen, die zu einem Drittweltland passen könnten, seien Erfindungen der AfD und Rest der Bürger würde all dies nicht wahrnehme? Wie naiv ist diese Vorstellung für eine angebliche Journalistin?
Lösungen drängen sich auf
Dabei drängen sich die wahren Lösungsmöglichkeiten geradezu auf. Einige Beispiele: Die Migrationsproblematik ist ein unendliches Desaster – und da ist es überhaupt nicht hilfreich, wenn die Kommentatorin den ungarischen Ministerpräsidenten, der sein Land vor genau diesen Abgründen bewahrt hat, verunglimpft und in die rechte Ecke schiebt. Im Gegenteil: Ein nicht geringer Anteil der Bevölkerung bewundert Victor Orban sogar. Er hält das Migrationsdesaster von seinem Land fern und ist nicht bereit, jede Schrulle, die die Brüsseler Bürokraten kreieren, unbesehen zu akzeptieren. Ein weiteres Beispiel: Es ist nicht vermittelbar, wieso das Bürgergeld nun um 12 Prozent angehoben wird. Der Unterschied zwischen einem Geringverdiener und einem Bürgergeldempfänger ist dermaßen gering, dass sich der Geringverdiener sagen muss: „Ihr könnt mich mal“ – und ebenfalls Bürgergeld verlangt. Der Kleinverdiener-Rentner fragt sich eh, wie es sein kann, dass der Zuwanderer aus der Ukraine, ohne jemals in die Sozialsysteme einbezahlt zu haben, mehr erhält, als er an Rente bezieht.
Und wieso in Zeiten klammer Kassen das bestehende Kanzleramt zu einem „Palazzo Prozzo“ erweitert werden muss, leuchtet ebenfalls keinem ein. Ein durchschnittlich intelligenter Bürger kann sich nicht vorstellen, wie man für einen Hausausbau 700 Millionen bis eine Milliarde Euro ausgeben kann. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Zusammenfassend bleibt zu sagen: Der “Spiegel“ sollte sich wirklich fragen, ob er seinen Kompass nicht dringend neu justieren muss – und ob er mit seiner jetzigen Ausrichtung wirklich jemals noch an seine einstigen erfolgreichen Zeiten anknüpfen kann.
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