Das Verständnis unseres eigenen Ursprungs ist ein wichtiger Schlüssel zur Entdeckung neuen Lebens

Ein Hoch auf das Leben – woher kommen wir, sind wir allein im Universum?

Der Perseus-Galaxienhaufen ist 240 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und umfasst rund tausend Galaxien. Auf dem Bild des Euclid-Teleskops sind allerdings sehr viel mehr Galaxien zu sehen, die bis zu 10 Milliarden Lichtjahre entfernt sind.

Das Alter des Lebens auf der Erde? Mindestens sagenhafte 3,5 Milliarden Jahre!

Unsere Erde entstand vor zirka 4,5 Milliarden Jahren, und fossile Spuren von Leben sind unter anderem in Gestein nachweisbar, das über 3,5 Milliarden Jahre alt ist. Seither hat es sich weiterentwickelt, angepasst, ist aber nie wieder verschwunden. Leben finden wir überall auf der Erde. In jedem Kubikzentimeter der Luft, in den Wüsten, in den Tiefen der Ozeane und der Erdkruste. Pflanzen machen dabei den mit Abstand grössten Teil der Biomasse aus. Bakterien folgen als Nächstes. Tiere und Menschen hingegen tragen nur einen verschwindend geringen Anteil zur Gesamtbiomasse auf der Erde bei. Was einzelliges Leben betrifft, also Bakterien und sogenannte Archaea, so kennen wir laut Schätzungen einen Grossteil der Biomasse gar nicht. Das heisst: Selbst hier auf der Erde gibt es noch viel Leben zu entdecken.

Das Leben hat unseren Heimatplaneten signifikant mitgeprägt. Nicht nur die Lebewesen selbst, die sichtbar die Oberfläche und die Meere bevölkern, sondern auch der Sauerstoff und das Methan, die von Leben auf der Erde produziert werden, haben die Erdkruste, die Meere und die Atmosphäre nachhaltig verändert. So gäbe es ohne Pflanzen und Algen keinen Sauerstoff in der Atmosphäre – der zweitgrösste Bestandteil nach Stickstoff. Und ohne Sauerstoff gäbe es keine Tiere und Menschen. Geosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre, Biosphäre, alles ist miteinander durch ein gigantisches chemisch-physikalisches Netzwerk verbunden.

Heutige Vielfalt entstammt einem einzigen Vorfahren

So phantastisch divers die Lebensformen auf der Erde auch erscheinen mögen – Bakterien, Archaea, Pflanzen, Tiere –, sie haben doch eine fundamentale Gemeinsamkeit: Alles bekannte Leben auf der Erde lässt sich auf einen einzigen gemeinsamen Ursprung zurückverfolgen. Alles Leben, wirklich alles, ist direkt miteinander verwandt! Das heisst nicht, dass es auf der frühen Erde notwendigerweise nur einen Lebensursprung gegeben hat. Aber wenn es mehrere Ansätze gab, so hat sich nur einer durchgesetzt.

Was wir allerdings nicht wissen, ist, wo, wie und wann genau der Übergang von unbelebter Materie zu Leben stattgefunden hat. Unser letzter gemeinsamer Vorfahre «Luca» (last universal common ancestor) war aus biologischer Sicht bereits ein sehr komplexes System, das alle Haupteigenschaften einer modernen Zelle, wie Metabolismus, Zellwandstrukturen, Erbinformationen, in sich trug.

Bei dem Versuch, das Leben und seinen Ursprung naturwissenschaftlich zu erforschen, stehen wir vor einer weiteren spannenden Herausforderung. Zwar können wir dem Leben, wie wir es kennen, Eigenschaften zuweisen und beschreiben, was Leben «macht», doch eine exakte naturwissenschaftliche Definition, was Leben wirklich ist, haben wir nicht.

Es gibt eine schöne Analogie zum Verständnis von Wasser: Wasser wurde ursprünglich als durchsichtige, geruchlose Flüssigkeit beschrieben, die ein exzellentes Lösungsmittel ist, unter Normaldruck bei 100 Grad Celsius verdampft und bei 0 Grad Celsius gefriert. Das waren Eigenschaften des Wassers, aber keine exakte Definition. Erst mit Erkenntnissen von Atomen und Molekülen konnte man Wasser als H2O identifizieren und zu dem wahren, grundsätzlichen Verständnis, was Wasser tatsächlich ist, gelangen. Beim Leben sind wir noch nicht so weit.

Woher kommen wir?

Und so kommt es, dass wir eine der fundamentalsten Fragen der Menschheit bis heute nicht beantworten können: Wo kommen wir her? Es gilt zu verstehen, welche chemischen Bausteine auf der frühen Erde vorhanden waren und wie diese ersten Bausteine chemisch miteinander reagierten, um immer komplexere Moleküle und neue Funktionen hervorzubringen. Und so schliesslich die elementaren Bestandteile bereitstellten, aus denen sich erste zellähnliche Einheiten bilden konnten.

Diese Prozesse wollen wir wissenschaftlich nachvollziehen und plausibel machen. Dabei ist es wichtig, für diese chemischen Reaktionen die richtigen äusseren Bedingungen, wie sie damals auf der frühen Erde herrschten, zu kennen. Das betrifft zum Beispiel die Zusammensetzung und Dichte der frühen Atmosphäre und das Vorhandensein und die chemischen Eigenschaften von Wasser. Um sich diesen komplexen und vielschichtigen Fragen zu nähern, braucht es koordinierte interdisziplinäre Ansätze. Daher haben weltweit führende Universitäten entsprechende Forschungszentren gegründet. Mit ihrem 2022 gegründeten Centre for Origin and Prevalence of Life (https://copl.ethz.ch) spielt die ETH Zürich dabei eine wichtige Rolle.

Eine weitere fundamentale Frage, die das Leben betrifft, ist die Frage nach Leben ausserhalb der Erde: Sind wir allein im Universum? Momentan ist die Erde der einzige Ort im Kosmos, von dem wir wissen, dass er Leben beheimatet. Ein empirischer Nachweis von Leben (oder Spuren vergangenen Lebens) auf anderen Planeten oder Monden in unserem Sonnensystem, oder gar auf Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, steht noch aus. Eine solche Entdeckung wäre aus naturwissenschaftlicher Sicht eine Sensation, hätte aber sicherlich Implikationen für andere Bereiche wie Philosophie, Soziologie, Religion oder Ethik. Sie würde darauf hindeuten, dass die Entstehung von Leben gegebenenfalls universeller und nicht an bestimmte, einmalige Anfangsbedingungen geknüpft ist.

Gibt es Leben ausserhalb des Sonnensystems?

Da kommen die sogenannten Exoplaneten ins Spiel. Also Planeten, die nicht um unsere Sonne, sondern um andere Sterne kreisen. In den letzten 30 Jahren wurden mehr als 5500 dieser Exoplaneten entdeckt, und es werden nahezu wöchentlich mehr. Die meisten befinden sich innerhalb von nur 3000 Lichtjahren von uns entfernt und viele sogar in unmittelbarer Nachbarschaft der Sonne; sogar der sonnennächste Stern, Proxima Centauri, wird von mindestens zwei Planeten umkreist.

Statistisch gesehen sollte jeder Stern Planeten haben, und viele davon haben Massen, Grössen und Umlaufbahnen, die unserer Erde ähnlich sind. Noch wissen wir sehr wenig über diese anderen Welten, können Temperatur und Atmosphären- und Oberflächeneigenschaften nur erahnen, und der Nachweis einer «Erde 2.0» steht noch aus. Dazu bedarf es einer neuen Generation von bodengebundenen und weltraumbasierten Teleskopen, wie zum Beispiel die an der ETH Zürich vorangetriebene Life-Mission (www.life-space-mission.com), welche erdähnliche Exoplaneten detailliert charakterisieren wird. Der Nachweis von Leben wird in diesem Fall über die Analyse der Exoplaneten-Atmosphären führen: Denn Leben, wie wir es kennen, hinterlässt seine Spuren überall, auch in der Atmosphäre.

Zukünftige Missionen wie die Life-Mission werden in der Lage sein, die atmosphärische Zusammensetzung bei Dutzenden erdähnlichen Exoplaneten zu untersuchen, um diese biologischen Signaturen aufzuspüren. Die Crux dabei: Wir können nur nach Signaturen suchen, die wir kennen und verstehen, und das sind eben Signaturen von Leben, wie es hier auf der Erde vorkommt. Es ist logischerweise schwierig, Spuren von Leben, das man nicht kennt, aufzuspüren. Daher ist es wichtig, dass die Suche nach noch nicht bekannten oder neuen Lebensformen auch hier auf der Erde fortgesetzt wird. Je besser wir das irdische Leben und seine Möglichkeiten und die Spuren, die es hinterlassen kann, verstehen, desto grösser ist unser Entdeckungsspielraum jenseits der Erde.

Je mehr wir wissen, desto grösser die Faszination

Das Leben auf der Erde in seiner phantastischen Vielfalt, unvorstellbaren Komplexität und enormen Resilienz verdient unsere respektvolle Bewunderung. Und entsprechend sollten wir es behandeln. Dem Ursprung und der Natur von Leben näherzukommen sowie seine mögliche Verbreitung ausserhalb der Erde zu untersuchen, ist für mich eine der grössten, inspirierendsten und spannendsten Herausforderungen der modernen Naturwissenschaften. Vielleicht befindet sich ein bewohnbarer Exoplanet mit messbaren biologischen Signaturen in unserer unmittelbaren astronomischen Nachbarschaft. Vielleicht ist die Entstehung von Leben ein kosmischer Imperativ. Vielleicht ist das Leben noch faszinierender, als wir es uns bis jetzt vorstellen können. Finden wir es heraus.