Bosch bringt generative KI in die Fabrik

Künstliche Intelligenz

Millionen Menschen erzeugen Bilder und Texte mit Tools wie ChatGPT. Nun bringt Bosch generative KI in seine Fertigung – und hofft auf große Einsparungen.

Sie heißen Dall-E oder Midjourney und haben dieses Jahr weltweit für Aufsehen gesorgt: KI-Werkzeuge, die Bilder erzeugen können. Generative künstliche Intelligenz, so der Name der Technik dahinter, hat im Jahre 2023 gewaltige Fortschritte gemacht – und die Bilder, die sie hervorbringt, werden schon im Marketing oder von Künstlern eingesetzt; auch die WirtschaftsWoche hat bereits ihre Magazingeschichten mit KI-generierten Bildern illustriert.

Der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch geht jetzt einen Schritt weiter: Ab sofort setzt das Unternehmen generative KI in der Produktion ein. „Mit generativer KI gehen wir jetzt den nächsten Schritt in der Evolution von künstlicher Intelligenz und hieven moderne Fertigungen auf ein neues Level“, berichtet Bosch-Digitalchefin Tanja Rückert.

In Pilotprojekten in zwei Bosch-Werken nutzen Mitarbeiter die neue Form der künstlichen Intelligenz nun, um Produkte während der Fertigung optisch zu inspizieren. Bisher führen Mitarbeitern solche Qualitätskontrollen in vielen Fällen noch manuell durch – was Zeit und Geld kostet.

Ein Fehler-Fotoalbum aus der Fabrik

Zwar gibt es bereits Bilderkennungs-Software, mit der sich diese Aufgaben in bestimmten Fällen automatisieren lassen. Doch bei einigen Teilen in der Bosch-Produktion gelang das bisher nicht – zu komplex waren die Produkte und der Aufbau der Fertigungslinien.

Nun setzt Bosch in einer Fabrik in Stuttgart-Feuerbach so genannte Foundation-Modelle in der Produktion ein. Diese großen KI-Modelle, die auch ChatGPT möglich gemacht haben, lassen sich mit großen Datenmengen füttern und können teilweise Aufgaben lösen, für die sie vorher nicht trainiert worden sind.

In Feuerbach gelingt einem solchen KI-Modell jetzt, zuverlässig Komponenten zur Kraftstoffeinspritzung zu inspizieren. Die neue KI erkennen automatisch verschiedene Versionen des Produkts und lässt sich auch von wechselnden Abfolgen im Produktionsprozess nicht irritieren. Ergebnis: Dank der KI dauern Prüfvorgänge nur noch drei statt dreieinhalb Minuten.

Die generative KI hilft bei Bosch zudem dabei, die „normale KI“ besser zu machen, Damit ein Algorithmus Fehler an Bauteilen erkennen kann, muss er mit möglichst vielen Beispielfotos trainiert werden. Die zu bekommen, kostet Zeit. Bosch-Entwickler haben nun mit einer schöpferischen KI zahllose synthetische Produktbilder mit verschiedenen Produktionsfehlern generiert.

Basis dafür war eine höhere zweistellige Zahl realer Fotos von fehlerhaft produzierten Werkstücken. Auf deren Basis erzeugte eine generative KI einen Datensatz von 15.000 künstlichen Fotos, die ebenfalls Produktionsfehler zeigen – in einer viel größeren Varianz, als sie im Ausgangsmaterial zu sehen war. Dieses Fehler-Fotoalbum diente einer anderen KI als Lehrmaterial, um Produktfehler zu erkennen.

Hunderttausende Euro gespart

Derart geschult, erkennt die Software in einem Bosch-Werk in Hildesheim, in dem Elektromotoren gebaut werden, nun Fehler an Schweißungen von Kupferdrähten. Der KI-Algorithmus prüft an Staturen, den festen Teilen von Elektromotoren, ob jeweils bis zu 300 Schweißungen pro Seite korrekt durchgeführt worden sind. Nur in Zweifelsfällen zieht die Software einen Menschen zu Rate.

Insgesamt, so schwärmt man bei Bosch, habe sich durch den Einsatz von generativer KI zu Trainingszwecken die Entwicklung neuer KI-Lösungen für die Fertigung um sechs Monate gegenüber konventionellen Verfahren verkürzt. Die daraus folgenden Produktivitätssteigerungen summieren sich auf einen höheren sechsstelligen Euro-Betrag pro Jahr.

Schon plant Bosch, die Technik in weitere Werke auszurollen. „Mit Hilfe von generativer KI verbessern wir nicht nur bestehende KI-Lösungen, wir schaffen so auch Grundlagen für eine optimale Durchdringung dieser Zukunftstechnologie in unserem weltweiten Fertigungsverbund“, sagt Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Bosch.

Bereits heute nutzt der Konzern nach eigenen Angaben in jedem zweiten Werk künstliche Intelligenz. Zuletzt hatte Bosch sich an einer großen Finanzierungsrunde für das Heidelberger Start-up Aleph Alpha beteiligt, das große Sprachmodelle entwickelt.  

Deutsche Unternehmen noch zögerlich beim KI-Einsatz

Experten gehen davon aus, dass sich mit generativer KI noch viel mehr Arbeit automatisieren lässt – vor allem dank der flexiblen Fähigkeiten der großen KI-Modelle: „Wir können mit generativer KI Fragen beantworten, die beim Erstellen der Software noch nicht bekannt war“, sagt  Christian Korff, Mitglied der Geschäftsführung beim Telekommunikationskonzern Cisco Deutschland.

Laut einer internationalen Studie von Cisco, für die 8161 Führungskräfte in 30 Ländern befragt wurden, haben immerhin 58 Prozent der deutschen Unternehmen bereits eine KI-Strategie. Doch während in der Bewertung von Cisco weltweit 48 Prozent der Unternehmen bei KI messbar Tempo machen und vorangehen, sind es in Deutschland nur 36 Prozent der Unternehmen. „Am schwersten tun wir uns in Deutschland damit, Daten für die KI-Modelle zur Verfügung zu stellen“, erläutert Korff.

Mit generativer KI hat Bosch in Hildesheim dieses Problem umschifft, indem statt echter Daten mit synthetischen Trainingsdaten gearbeitet wurde. Aber der Konzern sammelt auch reichlich echte Daten aus seinen 230 Werken weltweit. Es sind Informationen, an die auch die Macher der großen KI-Modelle, OpenAI, Google und Co., nicht herankommen – und die zusammen mit generativer KI zum Wettbewerbsvorteil werden könnten.

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Ein Jahr ChatGPT: Grafiken zeigen, wer die Gewinner des KI-Hypes sind

Der Sprachbot ChatGPT hat ein Wettrennen um die Marktführerschaft bei künstlicher Intelligenz ausgelöst. Marktdaten zeigen, wie es um den Innovator OpenAI steht – und wer ihm gefährlich werden könnte.

Wohl wenige Blogeinträge haben eine solche Welle ausgelöst wie der vom 30. November 2022 auf der Seite von OpenAI. „Wir haben ein neues Modell namens ChatGPT trainiert“, schreibt das KI-Start-up aus San Francisco in nüchterner Prosa, „das auf konversationelle Weise interagiert.“ Es folgt eine technische Beschreibung des neuen Sprachbots, für Laien eher schwer verständliche Absätze und Grafiken.  

Doch was sich dann abspielt, ist der historisch mit Abstand erfolgreichste Produktstart aller Zeiten. Nur fünf Tage später haben sich eine Millionen Nutzer bei ChatGPT angemeldet. Der bisherige Spitzenreiter, das soziale Netz Instagram, hat diese Zahl erst nach zweieinhalb Monaten erreicht, gefolgt vom Streaming-Dienst Spotify mit fünf Monaten. 

Heute, ein Jahr nach seinem Start, wird die Webseite von OpenAI ähnlich häufig geklickt wie die von Netflix, LinkedIn oder dem populären Forum Reddit, wie Daten des Webanalyse-Anbieters Similarweb zeigen. Vor allem aber hat ChatGPT das weltweite Wettrennen um künstliche Intelligenz in einen Turbo-Modus versetzt – nicht nur zwischen den größten Konzernen der Welt wie Google und Microsoft, sondern auch zwischen Supermächten wie den USA und China. 

Künstliche Intelligenz werde „die wichtigste und nützlichste Technologie sein“, sagte Sam Altman, Co-Gründer von OpenAI, kürzlich im Gespräch mit der „New York Times“, „die der Mensch erfunden hat.“ Großspuriger kann man eine Technologie kaum vermarkten. 

Doch wie viel Umsatz bringen KIs wie ChatGPT ein Jahr nach dem Start tatsächlich schon? Welche Start-ups haben die besten Finanzpolster? Und wie schnell wird künstliche Intelligenz tatsächlich die Wirtschaft umkrempeln? Ein Blick auf neueste Zahlen liefert dazu einige Antworten.

Warum Generative KI die Wette des Jahres ist

Jahrelang haben Investoren auf KI-Innovationen gesetzt, die vor allem Vorhersagen treffen können: Wann muss die Maschine in der Fabrik gewartet werden? Wie wird sich eine medizinische Therapie auswirken? Was sollte ein selbstfahrendes Auto tun, um einen Unfall zu vermeiden ?

Mit ChatGPT ist nun ein Hype um eine jüngere Klasse der schlauen Algorithmen ausgebrochen: sogenannte Generative KI,  die etwa Texte, Bilder, Musik erzeugen kann. Die Hoffnung: Die Technik könnte bald im großen Stil Büroarbeiten übernehmen. ChatGPT schreibt schon heute Mails, Marketing-Konzepte oder Memos für den Vorstand. Midjourney erzeugt Illustrationen, andere KIs erzeugen ganze Webseiten.

Das Investment in diese Technologie ist dieses Jahr in die Höhe geschnellt, wie neueste Zahlen zeigen: Allein in den ersten drei Quartalen haben Investoren 17,4 Milliarden Dollar in Unternehmen gesteckt, die Generative KI entwickeln – mehr als fünfmal so viel wie im gesamten Jahr davor:

Doch liegen die Investoren damit richtig? Nutzen die Menschen überhaupt all die neuen Bots und Bildgeneratoren?

Wie viele Menschen ChatGPT nutzen

Nur zwei Monate nach dem Start hatte ChatGPT schon 100 Million Nutzer – ein Wachstum, wie es bisher noch kein Produkt in dem Tempo hingelegt hat. Erstmals konnte jeder Internetnutzer selbst eine der mächtigsten KIs ausprobieren – und mit dem Sprachbot ähnlich interagieren wie mit einem Menschen, mit dem man sich per Messenger unterhält.

Das hat in der KI-Branche und in der Gesellschaft einen Bewusstseinswandel ausgelöst. „ChatGPT war der Push, den Europa gebraucht hat, um sich ernsthaft mit künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen“, sagt Andreas Liebl, Geschäftsführer des AppliedAI Institute for Europe und Chef der appliedAI-Initiative, die beide das Ziel verfolgen, das europäische KI-Ökosystem zu stärken. „In jedem Bereich der Gesellschaft diskutieren wir jetzt plötzlich über diese Technologie – das war ein Riesensprung.“ 

Ein Blick auf die Zahlen von Similarweb illustriert das gewaltige Interesse an ChatGPT: Bis Mai 2023 wuchs die Zahl von individuellen Nutzern auf rund 150 Millionen – ein wahrer KI-Frühling brach an. Gegenüber der Konkurrenz wie Googles Chatbot Bard und dem Bot von Character.AI bewahrt ChatGPT einen gewaltigen Abstand:

Doch im Sommer zeigt sich: Das Interesse flacht etwas ab, weniger Menschen nutzen die KI von OpenAI. Über die vergangenen Monate hat die Nutzung ein Plateau erreicht, scheint es. Ist der Hype also schon vorbei, ist ein Gewöhnungseffekt eingetreten – oder hat sich ChatGPT für viele Menschen gar als nett, aber nutzlos erwiesen?

Wie groß das Geschäft mit ChatGPT bisher ist

Ein Blick auf die Umsätze, die die Anbieter mit großen Sprachmodellen bisher gemacht haben, gibt hier Aufschluss. Denn wo Menschen bereit sind, Geld auszugeben, versprechen sie sich klare Vorteile vom Einsatz der neuen KI-Modelle. Daten von CB Insights zeigen: Es werden zwar schon Umsätze gemacht. Aber die sind noch überschaubar:

OpenAI führt die Liste mit Abstand an. Mit seinem Chatbot hat das Start-up eine ganze Platform geschaffen, auf deren Basis Drittanbieter KI-Apps entwickeln können. Unternehmen können gegen Bezahlung auch eine Schnittstelle nutzen, um ChatGPT, genau genommen die Technologie dahinter, etwa für unternehmensinterne KI-Anwendungen zu nutzen oder einen Chatbot für die eigene Homepage zu erstellen. Und schließlich zahlen Abonnenten 20 Dollar im Monat, um ChatGPT auf der Homepage oder der Handy-App zu nutzen.

Der prognostizierte Umsatz: 1,3 Milliarden Dollar bis Ende des Jahres. Damit wäre OpenAI mit dem 22-fachen seines Umsatzes bewertet – noch vertretbar für ein aufstrebendes Technologieunternehmen. Die KI-Plattform Hugging Face dagegen ist mit dem 113-Fachen bewertet. Da muss das Geschäft noch mächtig angekurbelt werden, um die Erwartungen der Investoren zu erfüllen.