Erstmals im Tierreich beobachtet: Elefanten nennen sich beim Namen

Elefanten kommunzieren überwiegend mit einem tiefen Grollen, das für menschliche Ohren kaum wahrnehmbar ist

Elefanten haben nicht nur ein langes Gedächtnis, sondern auch ein verblüffendes Sozialverhalten. Jetzt zeigt eine Studie: Sie sprechen sich offenbar mit unverwechselbaren Namen an  

Namen sind für das Funktionieren der menschlichen Gesellschaft unverzichtbar. Wenn wir jemanden in einer Menschenmenge oder im Wald suchen, rufen wir seinen oder ihren Namen. Und nur wer mit seinem eigenen Namen angesprochen wird, wird sich auch gemeint fühlen.

Ein Verhalten, dass lange als exklusiv menschlich galt. Bis heute. Denn ein Forschungsteam um den Biologen Michael A. Pardo von der Colorado State University hat Hinweise darauf gefunden, dass auch andere Tiere sich untereinander beim Namen rufen. Afrikanische Elefanten, so die Autoren der Studie, rufen sich mit individuellen Lauten, die der Bedeutung nach menschlichen Namen entsprechen. Es wäre das erste Mal, dass ein solches Verhalten bei nicht-menschlichen Tieren beobachtet werden konnte. Das Paper erschien im August dieses Jahres auf dem Preprint-Server bioRxiv, muss also den Peer-Review-Prozess vor der Veröffentlichung in einem Fachblatt noch durchlaufen.

Von Delfinen und Papageien ist zwar bekannt, dass sie einzelne Artgenossen gezielt ansprechen. Doch imitieren sie dabei lediglich Laute, die sie von den Angesprochenen selbst kennen. „Unsere Ergebnisse sind der erste Beweis dafür, dass eine nicht-menschliche Spezies ihre Artgenossen individuell anspricht, ohne den Empfänger zu imitieren“, schreiben die Autor*innen.

Anders ausgedrückt: Die Tiere benutzen, um sich gegenseitig anzusprechen, Lautsymbole, die nicht aus den Eigenschaften des Bezeichneten ableitbar sind. Die also willkürlich gewählt, aber für alle Mitglieder der Gruppe verständlich sind. Diese sogenannte Arbitrarität ist eines der wichtigsten Kennzeichen der menschlichen Sprache.

Willkürliche Bezeichnungen als Merkmal der Sprache

Für ihre Untersuchung starteten die Autor*innen im Samburu-Gebiet im Norden und im Amboseli-Nationalpark im Süden Kenias einen großen Lauschangriff auf die Dickhäuter. Dabei registrierten sie neben dem eigentlichen Rumble, einem tieffrequenten Grollen, das für menschliche Ohren kaum zu hören ist, auch die Entfernung eines Tieres von der eigenen Gruppe, oder ob sich dieses Tier seiner Gruppe näherte.

Die Analyse der insgesamt 625 Aufnahmen per Computermodell zeigte: Bestimmte, von unterschiedlichen Tieren verwendete Laute galten jeweils einem Individuum. Und Tests mit Stimmen vom Band zeigten: Die Tiere reagierten jeweils auf ihren „Namen“, also das typische, auf sie bezogene Grollen.

119 Individuen beziehungsweise Namen konnten die Forschenden so identifizieren. Allerdings ist die „Sprache“ der Elefanten nicht der menschlichen vergleichbar. So transportiert das Grollen immer mehrere Bedeutungen, die die Forschenden auch mit Unterstützung des Computermodells nicht klar voneinander unterscheiden konnten. Hier seien weitere Untersuchungen erforderlich. Die Ergebnisse wertet das Team dennoch als Erfolg:

„Die Verwendung erlernter willkürlicher Bezeichnungen ist Teil dessen, was der menschlichen Sprache ihre einzigartig breite Ausdruckspalette verleiht“, heißt es in der Studie. Die Ergebnisse deuten demnach darauf hin, dass wilde Elefanten ebenfalls „willkürliche vokale Bezeichnungen“ für einzelne Artgenossen verwenden.

Die neuen Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die erstaunlichen Fähigkeiten der grauen Riesen. Elefanten haben offenbar nicht nur ein komplexes Sozialleben, lieben, fühlen Mitleid und trauern um tote Artgenossen: Sie nennen sie sogar bei ihrem Namen.


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