Konferenz „Europäischer Kontinentalismus“ im Deutschen Bundestag

(von von Michael Mayr)

Schweizer Oberstleutnant: „Die EU ist zu einer Allianz des Irrsinns verkommen!“

Mitte Oktober fand eine Konferenz der AfD zum Thema „Europäischer Kontinentalismus“ im Deutschen Bundestag statt. Auf Einladung von AfD-Außenpolitiker Petr Bystron zeichneten unterschiedliche Referenten neue Entwürfe für ein Europa der Vaterländer. Besonders interessant war der Vortrag eines Schweizer Militärs.

Dass die heutige EU politisch, wirtschaftlich und ideologisch auf dem Holzweg ist, muss man selbst desinteressierten Beobachtern kaum näher erklären. In der EU reiht sich eine Krise an die nächste, folgt ein Skandal dem andern. Man denke nur an die Pfizer-Mails von Kommissionspräsidentin von der Leyen oder die nach wie vor unselige Rolle der EU im Ukraine-Krieg. Grundsätzlich über die Verfassung der EU und eine mögliche Neuausrichtung der Europäischen Sicherheits- und Wirtschaftsordnung nachzudenken, haben sich bislang allerdings die Wenigsten getraut. Die Konferenz „Europäischer Kontinentalismus“ setzte genau hier an.

Unter den Referenten der Podiumsdiskussion im Bundestag waren Stimmen, die man sonst seltener hört. Neben dem serbischen Politikwissenschaftler Dušan Dostanić waren der Schweizer Oberstleutnant Ralph Bosshard, der US-Journalist und Vorstand des Schiller-Instituts Harley Schlanger sowie der österreichische Ökonom Christian Zeitz zugegen. Sie alle entwarfen aus ihrer jeweils eigenen Perspektive ein Bild von dem, was ist – und was sein könnte.

Versagen der EU

Das Scheitern der heutigen EU lässt sich nirgendwo besser beobachten als im Ukraine-Krieg, so der ehemalige Oberstleutnant der Schweizer Armee Ralph Bosshard. Sein Vortrag gab aus fachkundiger militärischer Perspektive einen Einblick in die sicherheitspolitischen Irrwege der Brüsseler Eurokraten. „Wir bezeichnen die NATO als westliches Verteidigungsbündnis“, so Bosshard. Eine Bezeichnung, die längst nicht mehr der Realität entspreche. Aus seiner Sicht wird die EU von außen vielmehr als „sicherer Hafen“ wahrgenommen, von dem aus die Mitgliedsstaaten ihre eigenen geopolitischen Ambitionen und Interessen ausleben. Das sorge natürlich weltweit für Ärger und Frustration. Besonders im Konflikt mit Russland, der jetzt in der Ukraine zum Desaster geworden ist, hätte man eine echte EU des Friedens dringend gebraucht.

Jahrzehnt der Demütigung für Russland

Bosshard skizziert in seinem Vortrag, wie es so weit kommen konnte. Die Ursache liege im Versäumnis der NATO, sich seit 1990 ständig weiter nach Osten auszuweiten, ohne dabei gleichzeitig „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen, „um das russische Misstrauen, das entstand, zu beseitigen“. Von „Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung“ wurde in der NATO zwar ständig gesprochen, doch das Gegenteil fand mit Blick auf Russland de facto statt. Die Folge dieser Expansionspolitik wird heute auf den höchsten Ebenen der EU und NATO schlicht ignoriert. „Die 1990er Jahre gelten in Russland als das Jahrzehnt der Demütigungen“, erklärt Bosshard. Die berechtigten Sicherheitsinteressen Moskaus spielten nie eine Rolle, so der Schweizer Militär:

„Der Westen sprang mit Russland um, wie es ihm gerade passte.“

Wie gravierend dieses Versäumnis ist, unterstreicht Bosshard durch den Hinweis, dass sich die NATO und die EU eine Atommacht zum Feind gemacht haben. In Anbetracht dieser Konstellation gebe es nur „zwei Varianten“: „Es gibt eine Welt mit Russland oder es gibt keine Welt.“ Dass man diesen Konflikt überhaupt riskierte – und in der Ukraine dann auf die Spitze trieb – sagt bereits einiges über die strategische Ausrichtung des sogenannten „Friedensbündnisses“. Eine Erkenntnis, die hier im Westen niemand hören will, serviert Bosshard mit Nachdruck:

„Der Westen hat sich seine Feinde selbst gezüchtet!“

In diesem Zusammenhang erklärt Bosshard, dass die Aggressionspolitik der NATO und der EU ganz und gar von den Interessen der USA geleitet sei. Die EU und die NATO waren seit jeher immer daran beteiligt, die geopolitischen Einflusssphären der Amerikaner auszudehnen. „In Afrika und Lateinamerika unterstützte der Westen jahrzehntelang jeden beliebigen Gauner, wenn er sich nur anti-kommunistisch gebärdete“, so Bosshard. An dieser zynischen Haltung habe sich bis zum jetzigen Zeitpunkt nichts geändert:

„Heute, in der angespannten Lage, sind wir wieder bereit jeden zu unterstützen, der sich als Gegner Putins outet. Und wir machen in unserem blinden Fanatismus wieder genau dieselben Fehler, die uns langfristig schaden werden.“

Gekaufte Freunde, alte Feinde

Ein ganz zentraler Fehler des Westens bestand darin, auf Druck und Aggression, statt Verständigung und Kooperation zu setzen. Das Ergebnis dieser fatalen Langzeitstrategie: „Wir finden keine Partner als Westen durch Überzeugung, sondern wir kaufen sie – und erniedrigen dabei ganze Völker.“ Nicht Ausgleich, nicht Zusammenarbeit, sondern ein taktisches Gegeneinander-ausspielen zahlloser Weltmächte und Nationen wurde zur Leitlinie der Außen- und Sicherheitspolitik erhoben. Dabei diente seit dem Kalten Krieg „der Hass auf Russland als kleinster gemeinsamer Nenner“.

Wie allumfassend diese Kriegs-Doktrin aus Washington und Brüssel heute ist, zeige sich laut Bosshard auch daran, dass „praktisch jeder Aspekt gesellschaftlichen Lebens zum Zweck der Kriegführung genutzt wird“. Mit anderen Worten: Der Krieg wird nicht mehr nur militärisch geführt, sondern auch ökonomisch, kulturell und medial. Bosshard ahnt nichts Gutes: „Der neue Kalte Krieg wird tief in unser gesellschaftliches und auch persönliches Leben eingreifen, da bin ich mir sicher.“ Weiter sagt er: „Uns steht möglicherweise eine Zeitperiode bevor, in welcher jedes noch so kleine Anzeichen für Sympathie für den ‚Werte-Feind‘ Russland“ als de-facto Kriegsgrund angesehen werden wird.“

Über die Strategie Putins berichtet Bosshard:

Russland wird versuchen, diese Länder politisch zu destabilisieren, wobei man sich natürlich fragt: Muss man westlichen Regierungen helfen, ihre Länder zu destabilisieren? Ich denke das können einige davon ganz alleine.“

Wer kann ihm da widersprechen? Die Länder des Westens – und allen Voran die EU – sind seit vielen Jahren in einem Degenerationsprozess begriffen, der ökonomisch, kulturell und sozial verheerende Folgen zeitigt. Hier seien exemplarisch die Migrations-Agenda und das immer weiter metastasierende „Woke“-Weltbild der EU-Zentralisten erwähnt.

Ein neuer Kalter Krieg

Ralph Bosshard macht sich in Bezug auf die aggressive Ausrichtung von NATO und EU keine Illusionen:

„Die Hauptquartiere von EU und NATO in Brüssel werden die Außenpolitik der kleinen Partner steuern und sie werden jeden Abweichler mit wirtschaftlichen Maßnahmen bestrafen.“

Solche „Maßnahmen“ gegen sogenannte „Abweichler“ sind bereits an der Tagesordnung: „Herr Orban in Ungarn kann schon ein Lied davon singen. Und das kann so weit gehen, dass Regimewechsel-Operationen dann angeleiert werden.“ Eine Aussage, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: Die EU ist von einem „Friedensbündnis“ zu einer Allianz des Irrsinns verkommen, in der – ganz im Interesse der USA – jedes Mittel Recht ist.

Als erfahrener Militär hat Bosshard deutlich vor Augen, welche Folgen diese Ausrichtung für die EU und uns alle haben wird:

„Der Gang in den neuen Kalten Krieg erscheint mir so etwas wie der Gang in ein Minenfeld, ohne dass man weiß, wo die Minen liegen und ohne, dass man weiß, wie der Ausweg geht.“

Schwer wiegt auch die Einsicht, dass der Westen bei seiner irrationalen Kriegspolitik immer noch vorgibt, die moralische Überlegenheit zu besitzen – was laut Bosshard selbstredend ein Irrtum ist:

„Die Sanktionspolitik des Westens folgt dem Prinzip der Geo-Ökonomie. Da geht es nicht nur um Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat, meine Damen und Herren, sondern da geht’s um ein Prinzip, das in Westeuropa heilig ist, konkret: es geht ums Geld.“

Kaum Aussicht auf Besserung

Aussicht auf Besserung bestehe dabei kaum – wenn nicht ganz schnell neue konservative Kräfte ans Ruder gelangen und selbiges beherzt herumreißen. Bosshards Prognose:

„Ein Europa, dessen wirtschaftliche Macht und Soft-Power schwinden, wird, um sich in der Weltpolitik durchsetzen zu können, zunehmen zu militärischen Zwangsmaßnahmen greifen müssen. Eine eigentliche Militarisierung westeuropäischer Außenpolitik ist eine mögliche Lageentwicklung.“

Ein Ausweg aus dem „neuen Kalten Krieg“ werden dadurch immer schwieriger, denn – besonders mit Blick auf Russland – sei „in den letzten 25 Jahren viel Geschirr, zu viel Geschirr zerschlagen worden“.

Man könne aufgrund der historischen Vorbedingungen eben nicht einfach zu Russland gehen und sagen: „Lets be friends“ – Das funktioniert nicht.“ Einen „modus vivendi“ mit Russland zu finden, sei allerdings nicht optional, sondern zwingend. Bosshards Kritik an den politisch Verantwortlichen ist entsprechend verheerend:

„So wie bisher kann es nicht mehr weitergehen, Kalter Krieg, Blockbildung, Kampf um Einflusssphären, umfassende Verteufelung, Dehumanisierung der Gegenseite, das sind alles nur Ausdrücke außenpolitischer Ideenlosigkeit.“