Was deutsche Medien verschweigen: Warum der Niger für den Westen so wichtig ist

Die deutsche Berichterstattung über den Putsch und die Lage in Niger kann man nur als bewusste Desinformation bezeichnen, denn die deutschen Leser erfahren nicht, worum es in Niger tatsächlich geht. (von Anti-Spiegel)

Der Putsch im Niger macht in Deutschland Schlagzeilen, aber worum es geht, erfahren deutsche Leser nicht, wie ich am Beispiel dessen aufzeigen möchte, was der Spiegel als „Berichterstattung“ bezeichnet. Im Niger geht es im Kern um zwei Themen, die wir uns gleich anschauen werden, anschließend schauen wir uns, wie der Westen auf die Ereignisse in Niger reagiert.

Uran

Ich habe schon 2018 einen Artikel über die Gründe des Bundeswehreinsatzes in Mail geschrieben, mit dem die Bundeswehr die französische Armee unterstützt hat. Bei dem Militäreinsatz in Mali ging es nicht um die Bekämpfung irgendwelcher Terroristen, wie offiziell erklärt wurde, es ging um die Sicherung der französischen Dominanz in der Region und vor allem ging es dabei um das Nachbarland Niger.

Warum Niger? Ganz einfach: Niger ist einer der weltweit größten Produzenten von Uran und steht in der Liste der weltweiten Reserven auf einem der obersten Plätze.

Frankreich wiederum ist mit seinem hohen Anteil von Atomstrom der zweitgrößte Verbraucher von Uran weltweit. Und das französische Uran kommt zu einem Großteil aus dem Niger. Dort kontrolliert die staatliche Firma Société du Patrimoine des Mines du Niger (SOPAMIN) den Uranabbau. Diese Firma gehört dem Staat Niger und sie vergibt die Abbaurechte an andere Unternehmen, an denen sie dann Beteiligungen hält. Jedoch ist sie bei fast allen dieser Firmen nicht der größte Aktionär, sondern das sind ausländische Investoren. Und wie der Zufall es will, sind das zu einem sehr großen Teil französische Firmen, allen voran Orano (früher Areva), ein französischer Staatskonzern.

Damit schließt sich der Kreis, denn dass die heftigsten Reaktionen auf den Putsch in Niger ausgerechnet aus Frankreich kommen, liegt am Uran aus Niger. Frankreich hat Angst davor, dass eine neue Regierung die Verträge kündigt und das Uran französischen Konzernen nicht mehr zu Vorzugspreisen überlässt, sondern es auf dem Weltmarkt zu regulären Preise verkauft.

Der Trick, um den es geht, hat einen Namen: PSA-Verträge. Bei diesen Verträgen bietet ein ausländischer Investor „Hilfe“ beim Abbau von Bodenschätzen an. Im Gegenzug für seine Investitionen bekommt er die Abbaurechte ganz oder zumindest teilweise überschrieben (ich vereinfache es ein wenig). Das Ergebnis ist, dass zum Beispiel das Uran im Niger zum größten Teil französischen und anderen ausländischen Firmen gehört, dem Niger verbleibt nur ein Bruchteil des eigenen Reichtums. So landet der Gewinn aus dem Abbau der Bodenschätze nicht in dem afrikanischen Land sondern bei internationalen Konzernen.

Daher ist die Angst in Frankreich berechtigt, die Putschisten könnten daran etwas ändern wollen und dafür sorgen, dass das nigrische Uran auch dem Staat Niger und den Menschen dort zugute kommt.

Und so ist es auch gekommen, denn die Putschisten haben den Export von Uran nach Frankreich umgehend gestoppt.

Westliche Militärbasen

Niger war eines der wenigen uneingeschränkt pro-westlichen Länder in Afrika, und Niger war eines der wenigen afrikanischen Länder, die keine Vertreter zum Russland-Afrika-Gipfel letzte Woche geschickt haben. Im Niger sind deutsche und französische Truppen stationiert, wichtiger ist jedoch, dass die USA seit 2016 in Niger die „Niger Air Base 201“, eine der wenigen permanenten US-Militärbasen in Afrika, betreiben.

Da der Westen in Afrika an Einfluss verliert, ist Niger für den Westen umso wichtiger, denn ohne die Militärpräsenz dort verliert der Westen einen wichtigen Teil seiner militärischen Drohkulisse in der Region.

Was der Spiegel als „Berichterstattung“ bezeichnet

Der Spiegel hat in keinem seiner Artikel über den Niger über diese Interessen der westlichen Staaten berichtet. Wer im Spiegel-Archiv den Suchbegriff „Uran“ eingibt, kann das leicht überprüfen. Auch die militärische Bedeutung des Niger für die USA verschweigt der Spiegel.

Stattdessen fabuliert der Spiegel von „Demokratie“, die dem Westen angeblich so wichtig sei, weshalb die USA, die EU und auch die Staaten des Westens die finanzielle Unterstützung des Niger nach dem Putsch umgehend eingefroren hätten.

Dabei zeigt das Beispiel Saudi-Arabien, dass dem Westen Demokratie vollkommen egal ist, solange ein Staat eine pro-westliche Politik verfolgt. Aber westliche Medien wie der Spiegel verschweigen ihren Lesern alles, was sie zum Verständnis geopolitischer Vorgänge wissen müssten, und erzählen ihnen stattdessen, es ginge dem Westen immer nur um Demokratie oder Menschenrechte. Bei diesen Parolen handelt es sich lediglich um Parolen für die (dumm gehaltene) Öffentlichkeit, um zu verbergen, dass es dem Westen – wie immer in seiner Geschichte – nur um Macht und Bodenschätze anderer Länder geht.

Militärische Drohungen

Daher ist es wenig überraschend, dass Frankreich umgehend mit einem militärischen Eingreifen gedroht hat, sollte die vorherige Regierung nicht wieder eingesetzt werden. Damit schloss Frankreich sich einer Drohung der ECOWAS-Staaten an. Das ist ein Staatenbund der westafrikanischen Staaten, der für eine pro-westliche Politik steht. ECOWAS ist aus der nach der Auflösung der französischen Kolonie Französisch-Westafrika gegründeten Westafrikanischen Zollunion hervorgegangen.

Nach den Putschen in Mali und Burkina Faso ist die Mitgliedschaft der beiden Staaten in der ECOWAS umgehend ausgesetzt worden, weil beide neuen Regierungen sofort begonnen haben, gegen die fortgesetzte Ausbeutung ihrer Länder durch die ehemalige Kolonialmacht Frankreich vorzugehen. Beide Staaten haben das französische Militär, französische NGOs und Medien, die in den Ländern versucht haben, eine pro-französische Stimmung aufrechtzuerhalten, aus ihren Ländern geworfen.

Daher haben beide Länder als Reaktion der ECOWAS-Drohung eines militärischen Eingreifens in Niger verkündet, dass sie das auch als Kriegserklärung gegen sich selbst ansehen würden. Sollte die ECOWAS – egal, ob mit oder ohne westliche Unterstützung – in Niger intervenieren, droht der Region ein großer Krieg.

Anti-französische Proteste

Wie auch in anderen afrikanischen Ländern, in denen gegen den Westen protestiert wurde, schwenken auch die Demonstranten in Niger russische Fahnen. Dafür gibt es Gründe, denn im Gegensatz zum Westen, wo die Sowjetunion aufgrund der Propaganda aus Zeiten des Kalten Krieges ein schlechtes Image als Unterdrückungsstaat und Diktatur hat, das auch weiterhin in westlichen Dokus und Geschichtsbüchern gepflegt wird, sieht es in Afrika anders aus. Die Sowjetunion hat den Staaten Afrikas geholfen, sich von den Kolonialmächten zu befreien und sie danach massiv unterstützt.

Ganze Generationen afrikanischer Akademiker haben in der Sowjetunion und danach in Russland studiert und die Sowjetunion hat in den afrikanischen Ländern Schulen, Krankenhäuser und Universitäten gebaut, ohne diese Länder auszubeuten, wie es die westlichen Staaten bis heute tun, siehe das Uran aus Niger, von dem französische Konzerne größere Anteile bekommen als der Staat Niger selbst, dem es gehört.

Bei den Menschen in Afrika steht der Westen daher als Synonym für Ausbeutung und Unterdrückung aus der Kolonialzeit, wobei zumindest die Ausbeutung bis heute fortgesetzt wird. In Afrika wird das Verhalten des Westens gegenüber Afrika offen als „Neokolonialismus“ bezeichnet.

Das erklärt auch die Popularität des russischen Präsidenten Putin und Russlands selbst in Afrika, denn für die Afrikaner ist Russland zum Symbol des Widerstandes gegen die westliche Ausbeutung geworden.

Daher muss man sich nicht wundern, dass Menschen in diesen Staaten mit Russland-Fahnen demonstrieren, denn sie erhoffen sich, dass die Ausbeutung durch den Westen (in diesem Fall durch Frankreich) endlich aufhört und sie hoffen aus Unterstützung Russlands, um dem Westen trotzen zu können.

Die „russische Spur“?

Daher ist es nicht überraschend, dass in einigen westlichen Medien bereits behauptet wird, Russland könnte mit den Ereignissen etwas zu tun haben. Diese Meldungen befeuert auch Ouhoumoudou Mahamadou, der (ehemalige?) Premierminister des Niger, der sich zum Zeitpunkt des Putsches in Italien aufhielt, und nun im französischen Fernsehen sagte:

„Das ist wirklich eine unerklärliche Konzentration [der antifranzösischen Stimmung]. Wie Sie wissen, gibt es ein ganzes Netzwerk von Alterglobalisten und anderen, die nur darauf aus sind, sich in derartige Ereignisse einzumischen. (…) Wie Sie bei der letzten Demonstration gesehen haben, schwenkten sie die Flagge eines anderen Landes, als ob Niger nicht ohne ein anderes Land auskommen könnte. Sie fordern den Abzug Frankreichs, greifen seine Botschaft an und bitten gleichzeitig ein anderes Land, Sie zu retten. Das ist unerklärlich.“

Für wessen Interessen die gestürzte Regierung steht

Das sagt jemand, dessen Politik darauf zielt, dass Niger nicht ohne andere Länder (Frankreich und die EU) auskommen kann, denn besonders entlarvend war eine andere Passage aus seinem Interview im französischen Fernsehen. Unter Bezug auf Finanzhilfen der EU und des IWF sagte er:

„Wenn man diese (westliche) Unterstützung verweigert, begeht man selbst Harakiri. Für das Land wäre das unserer Meinung nach eine Katastrophe. In diesem Zusammenhang rufen wir alle dazu auf, die Interessen des Landes zu berücksichtigen und persönliche Interessen zurückzustellen, denn es geht uns in erster Linie um Niger“

Auch über die Sanktionen, die ECOWAS gegen Niger angekündigt hat, um die Wiedereinsetzung der alten Regierung zu erzwingen, äußerte er sich in dem Interview:

„Ich kenne die Anfälligkeit Nigers, ich kenne die wirtschaftliche Lage des Landes, weil ich selbst Finanzminister war und jetzt an der Spitze der Regierung stehe. Dieses Land ist nicht in der Lage, solchen Sanktionen zu widerstehen. Wirtschaftlich wird es eine Katastrophe, auch sozial, denn Niger setzt große Hoffnungen in die internationale Partnerschaft mit befreundeten Ländern und internationalen Institutionen, die das Land in hohem Maße unterstützen“

Es ist bemerkenswert, dass der Premierminister Finanzhilfen der EU und Kredite des IWF lobt, anstatt dafür zu sorgen, dass die Bodenschätze des Niger durch Niger selbst gefördert und weiterverarbeitet werden, um den Wohlstand in dem Land zu heben. Schließlich haben all die „Hilfen“ aus dem Westen nichts daran geändert, dass Niger eines der ärmsten Länder der Welt geblieben ist, obwohl es so reich an allen möglichen Bodenschätzen ist.

Und obwohl er die Folgen der ECOWAS-Sanktionen als wirtschaftliche und soziale Katastrophe für Niger bezeichnet hat, unterstützt er die Sanktionen, die seinem eigenem Volk extremen Schaden zufügen dürften, denn er bezeichnete die Sanktionen der ECOWAS in dem Interview als richtigen und natürlichen Schritt als Reaktion auf den Putsch.

Zu den Erklärungen der ECOWAS über eine mögliche militärische Intervention in Niger sagte der (ehemalige?) Premierminister, die ECOWAS-Mitgliedstaaten hätten die Möglichkeit der Schaffung einer Spezialtruppe für solche Situationen erwogen:

„Wir sind mit dieser Reaktion zufrieden, sie ist ganz logisch, denn es handelt sich um einen ungerechtfertigten Staatsstreich, für den es keine Grundlage gibt. Normalerweise wird ein Staatsstreich mit einer politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Krise begründet. Heute befindet sich Niger in keiner dieser Situationen. Die derzeitige Situation ist einfach unerklärlich“,

Im Klartext fordert der Premierminister des Niger im Fernsehen seiner ehemaligen Kolonialmacht, notfalls einen Krieg gegen sein Heimatland, um den Einfluss der ehemaligen Kolonialmacht wiederherzustellen und zu sichern.