Über ein Jahr tobt bereits der Krieg in der Ukraine. Für beide Seiten ist der Konflikt kräftezehrend und ein schnelles Ende durch militärische Erfolge ist nicht in Sicht. Daran ändern weder die Einberufungen in Russland noch die wirtschaftlichen Sanktionen des Westens sowie die massiven Waffenlieferungen an die Ukraine etwas. Nun ließen beide Seiten mit Vorschlägen zur Beilegung des Konflikts aufhorchen.
Patt-Situation und verlängertes Töten
Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert nun schon genau 407 Tage. Erfolge sind für keine der Seiten in Sicht, es besteht eine Pattsituation, die nicht einfach aufgelöst werden kann. Weder durch noch mehr Waffenlieferungen, Geld oder Sanktionen. Aber auch Russland – obwohl es über deutlich mehr Ressourcen verfügt – würde für durchschlagende Erfolge einen hohen Preis an Menschenleben und Material zahlen müssen.
Bereits vor Monaten bemängelte auch der Ex-Brigadegeneral der Bundeswehr und militärpolitische Berater von Angela Merkel, Erich Vad, die mangelnde Strategie des Westens. Und obwohl überzeugter Transatlantiker sah er einen Ausweg aus dem Konflikt nur in Verhandlungen und gegenseitigen Sicherheitsgarantien. Nun kommt scheinbar einiges in dieser Richtung in Bewegung.
Verhandlungsbereitschaft?
So machte der stellvertretende Außenminister der Russischen Föderation Michail Galusin auf Twitter deutlich, dass Russland unter bestimmten Bedingungen zu Friedensverhandlungen bereit wäre. „Wir sind offen für vernünftige Vorschläge zur friedlichen Konfliktlösung in der Ukraine und machen aus unserer Herangehensweise kein Geheimnis“, so Galin, der weiter ausführt, dass „ein umfassender, fairer und nachhaltiger Frieden in der Ukraine und in Europa möglich“ seien, sofern die Ukraine – und damit wohl auch Russland – einen Waffenstillstand vereinbaren und die Kampfhandlungen einstellen. Zudem müssten auch die Waffenlieferungen beendet und die „ausländischen Söldner“ aus der Ukraine abgezogen werden.
Neutrale und blockfreie Ukraine
Nach diesem Vorgeplänkel kommen dann konkrete russische Forderungen. So müsse die Ukraine laut dem Kreml auf Mitgliedschaft in der NATO und der EU verzichten, also völlig neutral und blockfrei werden. Zudem fordert Russland die „Bekräftigung eines nuklearfreien Status der Ukraine“ sowie „eine Anerkennung der neuen territorialen Realitäten durch Kiew und die internationale Gemeinschaft“.
Damit nicht genug, verlangt Moskau ebenfalls den Schutz der Rechte der russischsprachiger Bevölkerung, der russischen Sprache und der nationalen Minderheiten in der Ukraine und weiters freien grenzüberschreitenden Verkehr zwischen der Ukraine und Russland, die Rücknahme der Russland-Sanktionen und Gerichtsklagen sowie die Einstellung der gerichtlichen Verfolgung gegen Russland, seine natürlichen und juristischen Personen.
Keine Osterweiterung der NATO… würde ein solcher ARD-Beitrag von 2014 heute noch über die Bildschirme flimmern? Wohl kaum…
Russland und seine Nachbarschaft
Zum Schluss führt der stellvertretende Außenminister aus, dass Russland keinen antirussischen Staat in seiner Nachbarschaft dulden würde, wie auch immer dessen Grenzziehung sei. Dies könne Russland sicherheitspolitisch nicht dulden. Dass diese Maximalforderungen von Seiten Russlands, für die Ukraine unannehmbar sind, gerade auch im Bezug auf die Abtretung von Territorien, ist klar. Allerdings ist es bei Verhandlungen üblich, hoch einzusteigen um Verhandlungsmasse zu haben, am Ende trifft man sich dann ohnehin auf einem für alle annehmbaren Nenner.
Ukrainische Maximalforderung
Ziemlich zeitgleich äußerte sich auch der stellvertretende Leiter des Büros des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski, Andrij Sibiga, in einem Gespräch gegenüber der „Financial Times“ über mögliche Verhandlungen mit Russland. Auch dabei handelt es sich allerdings um Maximalforderungen, wobei allein deren Zustandekommen noch in weiter und wohl auch ungewisser Zukunft liegen. „Wenn es uns gelingt, unsere strategischen Ziele auf dem Schlachtfeld zu erreichen, und wenn wir uns an der administrativen Grenze der Krim befinden, sind wir bereit, diplomatische Gespräche zu starten. Das bedeutet aber nicht, dass wir eine militärische Befreiung der Krim ausschließen“, so Sibiga.
Damit betonte Sibiga die seit Beginn des Konflikts von der Ukraine vertretenen Standpunkt, dass ein Abzug aller russischen Truppen und eine Herstellung der ukrainischen territorialen Integrität in den Grenzen von 1991 – also einschließlich der Krim – das Ziel sei. Allerdings wies die „Financial Times“ darauf hin, dass diese Aussage Sibigas die „klarste Interessensbekundung“ seit April 2022 sei, mit Russland zu verhandeln.
Umstrittene Krim
Eine Rückgabe der Krim durch Russland dürfte jedoch, ebenso wie die russischen Maximalforderungen nicht so schnell durchzusetzen sein. Denn schon die formelle Angliederung der Krim an die Ukrainischen Sozialistische Sowjetrepublik 1954, durch den damaligen Ersten Sekretär der KPdSU Nikita Chruschtschow war staatsrechtlich ein Bruch der Verfassung der UdSSR, jedoch damals ohne Belang, da zu dieser Zeit auch ein Auseinanderbrechen der Sowjetimperiums nicht denkbar war.
Sonst wäre dieser Schritt wohl unterblieben, zumal sich auf der Krim mit Sewastopol auch der wichtigste Flottenstützpunkt Russlands bzw. der ehemaligen Sowjetunion befindet. Und diesen von der NATO einkreisen zu lassen, liegt und lag nicht im sicherheitspolitischen Interesse Russlands. Und ebenso wenig die Gefahr, dass der Pachtvertrag für den Hafen von der ukrainischen Führung nicht mehr verlängert werden könnte.
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