Insektenfarmen als neue Schatzinseln für findige Unternehmer

Einen Geldregen erhoffen sich moderne Glücksritter von der Massenaufzucht von Insekten. Daher dürften die Insektenfarmen bald allerorten aus dem Boden schießen – wie auch in der oberösterreichischen Stadt Wels.

„Das hat uns noch gefehlt“, höre ich eine Stimme hinter meinem Rücken sagen. Ich drehe mich um und sehe einen Mann mit Hund, der mir interessiert dabei zuschaut, wie ich die neue und noch im Aufbau befindliche Insektenzuchtanstalt beim Verschiebebahnhof fotografiere. Das Eingangstor und einige Containerbauten der Farm stehen schon, dahinter sieht man auch eine Halle und kleinere Gebäude. Die Anlage ist noch nicht eingezäunt, aber ein Tor gibt es schon.
„Insektianer“ steht daneben auf einem Schild und darunter die Attribute, die den in der Anlage gezüchteten Krabbeltierchen zugeschrieben werden: „Regional. Nachhaltig. Hochwertig.“ „Glauben Sie das?“, fragt mich mein plötzlich aufgetauchter „Schatten“, der Spaziergänger mit seinem Hund. Eine Antwort erübrigt sich. Mit dem Kopf deutet er in Richtung Farmgelände und fragt weiter: „Würden Sie dieses Zeug essen?“

EU-Verordnung verunsichert

Auch er hatte natürlich schon von der neuen EU-Durchführungsverordnung 2023/5 vom 3. Januar 2023 gehört, der zufolge seit dem 24. Januar teilweise entfettetes Pulver aus der Hausgrille (Acheta domesticus) den Lebensmitteln beigemengt werden darf (wie schon AUF1.INFO berichtete). Bereits 2021 hatte die EU die Verarbeitung von Mehlwürmern und Wanderheuschrecken in Lebensmitteln erlaubt. Was mag uns als nächstes blühen? Die Verunsicherung ist groß.

„Dieses Zeug werde ich mit Sicherheit nicht essen“, antworte ich meiner Zufallsbekanntschaft, die mich wissen lässt, dass sie meiner Meinung ist. „In einem sogenannten Genussbundesland sind wir zum Glück nicht auf Insektenfutter angewiesen“, sinniert der Mann, während er seinen brav neben ihm verharrenden Hund tätschelt.

Zukunftssnack Soldatenfliege?

Die Unternehmensgründer und Welser Insektenfarmbetreiber Philip Pauer und Philip Thaler wissen natürlich, dass der Ekel vor Insekten unter den Menschen in Europa stark verankert ist: auch vor Soldatenfliegen. Deshalb verarbeiten sie diese in ihrer Firma auch nur zu Tierfutter für den Heimtiermarkt und zu Dünger. 

Sollten allerdings nicht nur Heimtiere mit dem Protein aus Soldatenfliegen gefüttert werden, was woanders schon passiert, landen die Insekten dann indirekt doch noch in den Mägen der Menschen.

Bei einem Rundgang vor einigen Monaten durch ihr „Insektianer“-Areal informierten Thaler und Pauer über die bei ihnen praktizierte Zucht und Mast der Soldatenfliegen.

Die Welternährungsorganisation will für die Zukunft sogar eine direkte Nutzung des Insekts für den menschlichen Verzehr nicht ausschließen, doch sind diese Bestrebungen über Versuche bislang noch nicht hinausgekommen, heißt es. Bislang stünden Soldatenfliegen nur bei einem Volk in Malaysia auf dem Speiseplan. Das Problem bei diesem Insekt sei, dass es unangenehm rieche, weil es sich überwiegend von Abfällen ernährt.

Nahrungsreste als Larvenfutter

Aus diesem Grund sollen in der Welser Insektenfarm auch täglich 100 Tonnen Lebensmittelreste zu Futter für die Soldatenfliegen-Larven verarbeitet werden. Allerdings werde die Produktion erst 2024 voll anlaufen, wie Pauer bei der Firmenbesichtigung erklärte.

Mit der Hilfe von Partnern investieren er und Thaler rund 40 Millionen Euro in ihr Projekt und planen für die Zukunft sogar noch weitere Standorte. Als Gründe für ihr Engagement nennen sie „Nachhaltigkeit“. Unser Konzept der Kreislaufwirtschaft in Kombination mit den daraus gewonnenen Rohstoffen sei einzigartig, betont Pauer. Es wirke sich positiv auf die Abfallbilanz aus und helfe auch, CO2 einzusparen.

Über die zu erwartende Verdienstmöglichkeit hört man nichts von den Farmbetreibern, doch hohe Investitionen müssen nicht nur wieder hereinkommen, sondern auf Sicht auch Gewinn bringen, was Pauer, der aus der Finanzbranche kommt, sicherlich anstrebt.

Essen wird noch grauslicher

Viele Welser – und nicht nur sie – sind ohnehin überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis in der Farm auch Insekten zu Beimengungen für andere Erzeugnisse der Lebensmittelproduktion verarbeitet werden. „In zehn, zwanzig Jahren werden wir Dinge essen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können“, ist auch Katharina Unger überzeugt, die schon beizeiten die Insektenzucht zum Verzehr für den individuellen Bedarf anregte und auch gleich eine „Insektenfarm für den Schreibtisch“ kreierte.

Die Idee dazu war der Österreicherin gekommen, als sie als Industriedesignerin in Hongkong arbeitete, wo sie auch ihr Start-up-Unternehmen „Livin Farms“ gründete. Unger will nämlich, dass jedermann seine eigenen Insektensnacks züchten kann, und hat dafür auch das nötige Gerät und Zubehör entwickelt. Doch der Andrang danach wie auch die Nachfrage nach dieser Essenszubereitung für den privaten Bereich hält sich bislang in Grenzen.

Lachszucht mit Insektenpulver

Für sie wie auch für immer mehr Fachleute sind Insekten dennoch das Zukunftsfutter für die Menschheit.

Inspektion der Larvenmast in der Welser Zuchtanstalt (Foto: Insektianer GmbH)

Deshalb wurde schon 2019 in der niederländischen Stadt Bergen op Zoom eine der modernsten Insektenfarmen Europas eröffnet. Auch dort werden Insekten nach neuesten Verfahren als Eiweiß-Lieferanten für Tierfutter gezüchtet und verarbeitet – und nicht nur für Heimtiere.

Nach den schwärmerischen Worten der niederländischen Landwirtschaftsministerin Carola Schouten sind Insekten ein Beitrag zu einer nachhaltigen Produktion von Fisch, Eiern und Fleisch. Wie in Wels wird auch in der niederländischen Farm aus den Larven der Soldatenfliegen Protein hergestellt, mit dem rund fünf Millionen Lachse ein Jahr lang ernährt werden können, hieß es bei der Eröffnung der holländischen Zuchtanstalt.

„Pfui Teufel“, sagt dazu meine Zufallsbekanntschaft, der Mann mit dem Hund, dem ich bei unserer Plauderei davon erzähle. „Da kann ich in Zukunft auch einen Lachs aus dem Supermarkt nicht mehr essen, weil ich keine Garantie habe, dass dieser Fisch nicht mit Soldatenfliegen gefüttert wurde“, ärgert er sich, während ich mich insgeheim schon auf mein garantiert insektenfreies Kalbsschnitzel freue, das ich nach meinem Farmbesuch in einem Gasthaus verspeisen werde. Da ich den Wirt gut kenne, weiß ich, von welchem Bauern er das Fleisch bezieht.

Kuriose Randnotiz

Ich schieße noch schnell ein letztes Foto von der Welser Farm, und als ich mich von meinem „Zaungast“ verabschieden will, erzählt er mir noch rasch ein kurioses Detail: Nur wenige hundert Meter von der Welser Insektenfarm entfernt liegt der Welser Flugplatz. Dort waren im Krieg Jagdflugzeuge der Luftwaffe stationiert, die die Welser als „Wespengeschwader“ bezeichneten. Ich schmunzle. Heute teilen sich dort nur noch Zivilflugzeuge mit Bienen, Hummeln und Grillen das Rollfeld und seine Umgebung, während nur unweit entfernt davon Soldatenfliegen die Insektenfarm bevölkern.


Kommentare

Eine Antwort zu „Insektenfarmen als neue Schatzinseln für findige Unternehmer“

  1. Da ja die Fische auch in freier Wild – äh – Wasserbahn gerne Fliegen und derlei Insekten fressen, sehe ich darin null Problem. Wenn aber Fliegenbrei daraus gemacht wird, welcher dann zu Marmelade weiterverarbeitet wird, dann brennt der Hut ! ! !

Schreibe einen Kommentar