EU-Gerichtshof erklärt Notfallzulassungen für Neonicotinoide für rechtswidrig

Luxemburg, Brüssel, Wien (OTS) – Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat heute [19.01.2023] ein richtungsweisendes Urteil [Anm.: Rechtssache C-162/21] zu Notfallzulassungen von verbotenen und gefährlichen Pestiziden in der Landwirtschaft veröffentlicht. Der Gerichtshof erklärte das Erteilen von Notfallzulassungen für die Behandlung von Saatgut mit Pestiziden, die explizit verboten wurden, für unzulässig. Im Wortlaut heißt das in der Pressemitteilung des Höchstgerichts: Die Mitgliedstaaten dürfen nicht von den ausdrücklichen Verboten des Inverkehrbringens und der Verwendung von Saatgut abweichen, das mit neonicotinoidhaltigen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde (siehe Originaltext in französischer Sprache ).

“Dieses Urteil stellt sicher, dass gefährliche Pestizide, die aufgrund inakzeptabler Auswirkungen auf Umwelt oder Gesundheit verboten wurden, nicht über das Schlupfloch einer ‘Notfallzulassung’ weiter am Markt gehalten werden können”, freut sich Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker von GLOBAL 2000. “Dass diese Praxis rechtswidrig ist, hatte GLOBAL 2000 bereits 2019 betont, und gegen die Notfallzulassungen von bienengefährlichen Neonicotinoide in Österreich Beschwerde eingelegt.”

Hans Muilerman, Chemikalienbeauftragter des europäischen Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN Europe), das eine analoge Beschwerde in Belgien eingelegt hatte, sagt: „PAN Europe kämpft seit vielen Jahren gegen diesen systematischen Missbrauch des Systems der Ausnahmeregelungen durch die Mitgliedstaaten. Dieses Urteil ist ein großer Erfolg für die Umweltbewegung! Mit diesem Urteil wird nahezu der Hälfte der von den EU-Ländern gewährten Notfallzulassungen für verbotene Pestizide ein Riegel vorgeschoben werden.”

Die heutige EuGH-Entscheidung bezieht sich auf Fragen, die das belgische Verwaltungsgericht im Anschluss an eine Klage von PAN Europe, Nature & Progrès Belgium und einem belgischen Imker gestellt hatte. GLOBAL 2000 hatte eine analoge Beschwerde in Österreich eingebracht.

Aktuell liegt in Österreich laut Auskunft der Zulassungsbehörde Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) ein Antrag auf eine neuerliche Notfallzulassung von Neonicotinoiden zur Beizung von Zuckerrüben auf. Mit der EuGH-Entscheidung ist allerdings klar, dass eine Bewilligung dieses Antrags durch die dem Landwirtschaftsminister unterstellte Behörde BAES klar rechtswidrig wäre.

„Heute ist ein guter Tag für die Bienen und andere Bestäuber in ganz Europa, ebenso wie für den Schutz der Umwelt und der Gesundheit“, freut sich Helmut Burtscher-Schaden von GLOBAL 2000. “Denn das Höchstgericht hat sein heutiges Urteil insbesondere mit der Notwendigkeit begründet, bei der Zulassung von Pestiziden ‚ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt‘ zu gewährleisten” und dabei mit dem Vorsorgeprinzip argumentiert.

Hintergrund
Neonicotinoide kamen in Österreich seit dem EU-weiten Verbot seit 2019 jährlich über Notfallzulassungen für Zuckerrüben (Saatgutbeizung) in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark zum Einsatz. GLOBAL 2000 hat kürzlich Erdproben aus Zuckerrübenfeldern und Schlammproben von Abfällen aus der AGRANA Zuckerfabrik Tulln genommen. In allen Proben waren Rückstände dieser EU-weit verbotenen Neonicotinoide nachweisbar. (Zitat Ende)


Kommentare

2 Antworten zu „EU-Gerichtshof erklärt Notfallzulassungen für Neonicotinoide für rechtswidrig“

  1. Notfallszulassungen für Pestizide – ja wo san mer denn?

  2. Mann-o-meter – was da Alles abgeht ist atemberaubend – für manche buchstäblich.

    Dann wird womöglich noch was von Schwurbelei dahergefaselt – da wird’s Zeit für eine Maßeinheit: swbl
    flächendeckend: swbl² Quadrat-Schwurbelei
    raumfüllend: swbl³ Kubik-Schwurbelei

    … wenn’s nicht so traurig wäre …

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