Dürfen Buchstabensuppen eigentlich noch das ‚Z‘ enthalten?

  1. Etikettierung der „Putin-Versteher“
  2. Wahn der Übereifrigen
  3. Neues Steckenpferd für Justizminister

Wenn es darum geht, mit sinnlosen Aktionen imaginäre Probleme zu bekämpfen, lässt sich der deutsche Staat von niemandem überbieten: Mehrere Bundesländer wollen nun gegen das Z-Symbol vorgehen, mit dem die russischen Truppen in der Ukraine ihre Einsatzfahrzeuge kennzeichnen und das in Russland zum Zeichen für die Invasion in der Ukraine geworden ist. Da es den Buchstaben im in Russland und der Ukraine gebräuchlichen kyrillischen Alphabet nicht gibt, ist er überall schnell erkennbar. (Von Daniel Matissek)

Warum gerade dieses Symbol zu diesem Zweck verwendet wird, ist nicht eindeutig geklärt. Es könnte sich um den Anfangsbuchstaben des Wortes Zapad („Westen“) handeln. Möglicherweise bezieht sich dies auf die Stoßrichtung der russischen Truppen, vielleicht soll damit auch die Wachsamkeit gegenüber dem Westen generell betont oder als „Ziel“ definiert werden. Eine andere Erklärung wäre, dass es sich ursprünglich um Panzertruppen der westlichen russischen Militärkreise handelte.

Einige sehen auch eine Anspielung auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski, dessen Familienname in vielen Sprachen mit einem Z transkribiert wird. Laut dem russischen Verteidigungsministerium wieder steht das Schriftzeichen für den Slogan “Für den Sieg”. Den wirklichen Hintergrund kennt jedoch keiner.

Etikettierung der „Putin-Versteher“

Dennoch wird das Z-Zeichen auch außerhalb des Krisengebietes benutzt, um Zustimmung zum russischen Vorgehen in der Ukraine zu demonstrieren – oder auch einfach nur, um Ablehnung gegen die einseitige Berichterstattung und pogromartige Scharfmacherei gegen Russen auch in westlichen Ländern aufmerksam zu machen. Weil jedoch das „Imperium der Guten“ vor allem in Deutschland nur wenige Schubladen im Repertoire hat, in die es Meinungen einsortiert, und alle mit einem etwas differenzierten Blick auf die Konfliktlage pauschal als „Putin-Versteher“ gestempelt (und damit demselben Lager wie Querdenker, Nazis, Leugner und Verschwörungsspinner zugeordnet) werden, wird nun ein Zeichen gegen das Zeichen gesetzt: Die Bundesländer Niedersachsen, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen wollen nun strafrechtlich gegen das „Z“ vor, weitere Länder wollen folgen.

Unter Berufung auf Paragraf 140 Nr. 2 des Strafgesetzbuches, der ein Verhalten unter Strafe stellt, das als öffentlich zur Schau getragene Billigung von Angriffskriegen zu verstehen und geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, soll die Verwendung des Symbols im öffentlichen Raum verboten werden. Dies ist im Zusammenhang mit einem im Alltag ständig und überall auftauchenden, unzähligen verschiedenen Bedeutungen zuordenbaren Buchstaben zwar ein Ding der Unmöglichkeit – aber was zählt, ist die Haltung. Es gilt, wie so oft im aktionistischen Gutmenschen-„Schland“: Erst mal ein Gesetz beschließen, mit seiner Anwendung können sich dann Behörden und Gerichte herumschlagen.

Wahn der Übereifrigen

Vorsorglich strich die Zürcher Versicherung (Slogan: „Change HappenZ“) schonmal das graphische „Z“ aus ihrer Reklame. Zorro-Filme sind eher verpönt (und wegen Kolonialismus-Verherrlichung und kultureller Aneignung ohnehin pfui), auch Blitz-Symbole auf Umspannwerken oder der Online-Auftritt der „Zeit“ könnten demnächst ins Visier von antirussischen Gesinnungsblockwarten geraten. Und dürfen Buchstabensuppen eigentlich noch das „Z” enthalten? Müssen demnächst vielleicht alle Druckwerke verboten oder besser: verbrannt werden, in denen der vermaledeite Buchstabe enthalten ist?

Wenn es nach den übereifrigen politischen Jakobinern im ukrainischen Beistandskampf geht, wahrscheinlich schon: Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat sich hier, neben dem „Kampf gegen Rechts“ (bzw. zu diesem passend) nun ein weiteres Steckenpferd geschaffen, mit dem er fortan den strammen Max spielen kann; polternd kündigte er strafrechtliche Konsequenzen gegen „Z-Sympathisanten“ an: Ihm sei es „absolut unverständlich, wie das stilisierte Z sogar bei uns dafür genutzt werden kann, um diese Verbrechen gutzuheißen“, so Pistorius. Auch sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Herbert Reul (CDU), der in seinem eigenen Bundesland Probleme mit Clankriminalität und salafistischen Gefährderkreisen nicht einmal annähernd im Griff hat, sagte, ihm fehle „jedes Verständnis dafür, wie man sich mit diesen Verbrechen gemein machen oder sie gutheißen kann.” Deshalb müssten Z-Symbolisten verfolgt werden.

Neues Steckenpferd für Justizminister

Ins selbe Horn stößt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU), der erklärt: „Sympathisanten, die in Bayern das Kennzeichen Z der russischen Streitkräfte öffentlich verwenden”, könnten sich wegen der „Billigung von Straftaten” strafbar machen. Eisenreich verwies zusätzlich noch auf Paragraph 13 des Völkerstrafgesetzbuches, in dem es um „Verbrechen der Aggression” geht. Laut der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bedeute die Verwendung des weißen „Z’s” „…natürlich die Befürwortung des Angriffskrieges. Das wäre strafbar, da schreiten wir auch sofort ein.”

Eine bizarre Absichtserklärung – denn wenn man in Berlin bislang öfters „sofort“ eingeschritten wäre, wenn irgendetwas strafbar ist, wäre die Stadt sicher nicht in dem beklagenswerten Zustand, in dem sie sich seit vielen Jahren befindet. Besonders hier wirken die Aktionen gegen das „Z“ buchstäblich wie Symbolpolitik, mit der der Staat eine Handlungsfähigkeit simuliert, die er realen Gefahren gegenüber längst verloren hat.

Halten wir also fest: Bei Straftaten im eigenen Land sieht die deutsche Politik eher geringen Handlungsbedarf; dafür dreht sie nun beim Vorgehen gegen „Straftaten“ eines Staates im Zuge von Kriegshandlungen voll auf und lässt dafür stellvertretend all jene büßen, die diese in Deutschland „gutheißen“. Die einen werden gefeuert, wenn sie sich nicht von Putin distanzieren – die anderen, wenn sie einen Buchstaben zur falschen Zeit am falschen Ort verwenden. Auch das zählt wohl zu Deutschlands großartigem Beitrag für den Weltfrieden.


Kommentare

Eine Antwort zu „Dürfen Buchstabensuppen eigentlich noch das ‚Z‘ enthalten?“

  1. Frei nach Edmund Sackbauer:

    Dö san an Meta übern Schädl a nu debbat

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