Die USA stationieren wieder bodengestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen

Nachdem US-Präsident Trump 2019 den INF-Vertrag über das Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen einseitig gekündigt hat, haben die USA nun begonnen, diese ehemals verbotenen Waffensysteme wieder nach Europa und Asien zu bringen, was die Gefahr eines „Atomkriegs aus Versehen“ radikal erhöht.

( von Anti-Spiegel )

Der 1987 zwischen der Sowjetunion und den USA geschlossene INF-Vertrag regelte das Verbot von bodengestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen. Der Hintergrund war die Stationierung der sowjetischen SS-20-Raketen in der DDR in den 1970er Jahren, die ganz Westeuropa innerhalb weniger Minuten erreichen konnten. Der Westen reagierte mit dem NATO-Doppelbeschluss und der Stationierung der amerikanischen Pershing-Raketen. Nach Verhandlungen wurde dann der INF-Vertrag geschlossen und vereinbart, dass beide Seiten komplett auf derartige landgestützte Raketen verzichteten und diese vernichtet wurden. Details über alle ehemaligen Abrüstungsverträge finden Sie hier.

Der INF-Vertrag war vor allem für Europa extrem wichtig, weil Kurz- und Mittelstreckenraketen keine Gefahr für die USA darstellen, die weit genug entfernt sind, wohl aber für die europäischen Länder. Diese Raketen erreichen ihre Ziele innerhalb von Minuten und es gibt praktisch keine Vorwarnzeit. Das macht diese Raketen so gefährlich, weil jede Seite nur Sekunden Zeit hat, zu entscheiden, ob ein Radarsignal eine anfliegende Atomrakete ist oder nicht. Die Gefahr eines „Atomkrieges aus Versehen“ wird in Europa viel größer, wenn die USA diese Raketen wieder nach Europa bringen.

Russland hat 2019 guten Willen gezeigt und nach der Kündigung des INF-Vertrages durch die USA einseitig verkündet, selbst keine solchen Raketen zu produzieren oder zu stationieren, solange die USA solche Raketen nicht außerhalb der USA stationieren. Da die USA solche Raketen nun nach Europa und Asien gebracht haben, wird Russland reagieren.

Das war am Sonntag das Thema eines Beitrages im wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens, den ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Der Westen hat vergessen, wer als erster aus dem Vertrag über Kurz und Mittelstreckenraketen ausgestiegen ist

Eine sehr wichtige Wendung. Russland sieht, wie der Westen einseitig eine sehr gefährliche Klasse von Waffen entwickelt: Kurz- und Mittelstreckenraketen. Das klingt fast schon harmlos – kurze und mittlere Reichweite -, aber in Wahrheit sind das schreckliche Waffen mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern. Bis vor kurzem waren solche Waffen nach dem russisch-amerikanischen INF-Vertrag verboten, aber Amerika hat ihn gekündigt.

In seiner Rede vor dem russischen Sicherheitsrat am Freitag stellte Putin unter den gegenwärtigen Umständen die Aufgabe, mit der Produktion von Kurz- und Mittelstreckenraketen zu beginnen: „Heute werden Sie und ich die Frage weiterer Schritte der Russischen Föderation in Bezug auf das einseitige Moratorium für die Stationierung landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen prüfen. Wie Sie wissen, sind die USA vor einigen Jahren unter einem weit hergeholten Vorwand aus diesem Vertrag ausgetreten und haben angekündigt, dass sie solche Raketensysteme herstellen werden. Wir haben 2019 angekündigt, dass wir diese Raketen nicht herstellen und dass nicht stationieren werden, solange die USA diese Systeme nicht in irgendeiner Region der Welt stationieren. Heute wissen wir, dass die USA diese Raketensysteme nicht nur herstellen, sondern sie bereits zu Manövern nach Europa, nach Dänemark, gebracht haben. Vor kurzem wurde bekannt, dass sie sich auf den Philippinen befinden. Es ist nicht bekannt, ob sie diese Raketen von dort abgezogen haben oder nicht. Auf jeden Fall müssen wir darauf reagieren und entscheiden, wie wir in dieser Frage weiter vorgehen wollen. Offensichtlich müssen wir mit der Produktion dieser Angriffssysteme beginnen und dann auf der Grundlage der aktuellen Situation entscheiden, wo wir sie – wenn es für unsere Sicherheit notwendig ist – stationieren werden.“

In der Welt wurde diese Erklärung gehört.

Die westlichen Medien versuchen erwartungsgemäß, Russland die Schuld für die Zerstörung eines der wichtigsten Abrüstungsverträge des Kalten Krieges in die Schuhe zu schieben. Aus dem üblichen Jonglieren mit Fakten und Verzerrungen werden bisweilen regelrechte Lügen, wie beispielsweise in der britischen Zeitung Mirror, die die Ereignisse von vor fünf Jahren wie folgt auf den Kopf stellte: „Mittelstreckenraketen wurden ursprünglich in den 1980er Jahren verboten, als Russland und die USA den INF-Vertrag unterzeichneten, aber Russland ist 2019 aus dem Abkommen ausgestiegen.“ Über der Schlagzeile prangte ein Foto vom Start einer Sarmat-Rakete, die nichts mit dem INF-Vertrag zu tun hat.

Tatsächlich sind die USA im Jahr 2019 einseitig aus dem Vertrag ausgestiegen, was jeder sogar in der amerikanischen Wikipedia nachlesen kann.

Auch Reuters stellte die Rede des russischen Präsidenten vor dem russischen Sicherheitsrat falsch dar, um es milde auszudrücken: „Putins Schritt zerstört inmitten von Befürchtungen, dass die beiden größten Atommächte der Welt gemeinsam mit China in ein neues Wettrüsten eintreten könnten, endgültig, was von einem der wichtigsten Rüstungskontrollverträge des Kalten Krieges übrig geblieben ist.“

Nachdem Trump den INF-Vertrag vor fünf Jahren aufgekündigt hat, hat Moskau die weiteren Schritte Washingtons genau verfolgt. Und von unserer Seite gab es die ganze Zeit über ein einseitiges Moratorium für die Produktion und die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen, solange die Amerikaner nicht damit beginnen, sie in irgendeiner Region der Welt, sei es in Europa oder Asien, zu stationieren.

Im vergangenen September haben die USA auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm ein System zum Abschuss von Kurz- und Mittelstreckenraketen stationiert. Es handelte sich um eine Abschussvorrichtung für die Raytheon Standard SM-6 Mehrzweckraketen. Sie wurde im Rahmen einer Übung dort stationiert, was das Pentagon bestätigt hat. Das Unternehmen, das diese Waffen herstellt, hat bereits 2017 mit der Entwicklung begonnen und damit gegen den INF-Vertrag verstoßen. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte Satellitenbilder der Anlage in Tucson, Arizona. Sie zeigen vier Produktionsgebäude, ein Testgelände, Labore und 36 halb unterirdische Lagerstätten. Dort hier herrscht längst rege Betriebsamkeit, wie man den lokalen Fernsehsendern entnehmen kann. Es werden millionenschwere Verträge für die Produktion von Raketen unterzeichnet.

Für die Beschäftigten der Fabrik, die, wie die Gewerkschaften betonen, Amerikas Führungsrolle in der Welt sichert, sind stufenweise Lohnerhöhungen vorgesehen. Und die Entwicklung der Raketen, die gegen den INF-Vertrag verstoßen haben, begann hier lange bevor die USA beschlossen haben, ihn unter fadenscheinigen Vorwänden zu zerreißen.

Am 8. Dezember 1987 unterzeichnete Michail Gorbatschow in Washington den Vertrag. Sein Gegenüber Ronald Reagan machte aus seiner Freude keinen Hehl. Und unter gegenseitiger Kontrolle zerstörten die Länder Hunderte von Raketen.

Die UdSSR zerstörte Pionier-, Temp-S-, Oka- und Relief-Raketen, und die USA zerstörten Pershings und Tomahawks. Übrigens haben die Sowjets doppelt so viele Raketen zerstört, wie die USA. Die damalige sowjetische Gesellschaft nahm das Geschehen mit gemischten Gefühlen auf, für viele war es ein Schlag. Selbst wenn man Politik und Ideologie außer Acht lässt, steckten manche ihr ganzes Leben in die Entwicklung von Raketen.

Der operativ-taktische Komplex von Oka, der im Rahmen des Abkommens zerstört wurde, fiel formell nicht einmal unter das Abkommen. Seine Reichweite betrug bis zu 400 Kilometer. Er wurde jedoch auf Beschluss der damaligen Führung des Landes in die Liste aufgenommen. Daraufhin wurden alle Tests des verbesserten Oka-U-Komplexes abgebrochen. Der Konstrukteur der Oka, Sergej Nepobedimy, Direktor des Konstruktionsbüros für Maschinenbau in Kolomna, Held der sozialistischen Arbeit, Träger des Lenin- und des Staatordens, Schöpfer von insgesamt 28 Raketensystemen – von „Chrysantheme“ bis „Iskander“ – bewertete das, was er in den späten 80er Jahren erlebte, später ziemlich hart: „Als ich in der Prawda die Liste der zu zerstörenden Raketen sah und darunter die SS-23 nach der NATO-Klassifizierung, also unsere Oka, deren maximale Reichweite 400 Kilometer betrug, hielt ich das für einen tragischen Fehler. Jetzt denke ich, es war Verrat. Damals wusste ich noch nicht, dass die Abschaffung der Oka eine der Forderungen des amerikanischen Außenministers Shultz war, die er Gorbatschow unterbreitete. Unsere Raketen dieser Klasse bedrohten nicht das Territorium der USA selbst. Auf diese Weise sicherten die Amerikaner ihre NATO-Verbündeten ab, deren Zahl an Russlands Grenzen rapide zunahm.“

Es wurde vereinbart, in Zukunft keine Raketen mit kurzer, 500 bis 1.000 Kilometer, und mittlerer, 1.000 bis 5.500 Kilometer, Reichweite zu produzieren, um die Gefahr eines Atomkriegs zu verringern.

Und nun drehen die USA, die Moskau nukleare Rhetorik vorwerfen, die Zeiger der Uhr des Jüngsten Gerichts immer weiter voran. Landgestützte Raketensysteme der Typen Typhon oder Mk70 wurden, ebenfalls unter dem Deckmantel von Übungen, auf die Philippinen gebracht.

Das System ermöglicht den Abschuss der genannten Raytheon SM-3- und SM-6-Raketen und darüber hinaus von Tomahawk-Marschflugkörpern. Ihre Reichweite beträgt bis zu 5.500 Kilometer.

Die vorherige Modifikation der Mk41-Abschussvorrichtung, die auch den Abschuss von Mittelstreckenraketen ermöglicht, wurde 2016 in Osteuropa stationiert: in der Gemeinde Deveselu in Rumänien und in dem Dorf Redzikowo an der polnischen Ostseeküste.

Bereits vor dem Ausstieg aus dem INF-Vertrag testeten die USA bodengestützte Starts des luftgestützten Marschflugkörpers AGM-158. Der wurde unter Einsatz von Stealth-Technologien entwickelt und hat eine Reichweite von bis zu 1.000 Kilometern.

In Anbetracht all dieser Fakten fragen sich die Experten der renommierten amerikanischen Zeitung New York Times nur, warum Wladimir Putin sich gerade jetzt zu den Raketen geäußert hat: „Er machte diese Aussage wenige Tage vor dem 75-jährigen NATO-Jubiläumsgipfel in Washington, der am 9. Juli beginnt, und weniger als zwei Wochen nach seinem Besuch in Nordkorea, der die Nerven der USA und ihrer Verbündeten in Asien strapaziert hat.“

In Russland wird es angesichts der enormen Erfahrung der Forschungsinstitute und Konstruktionsbüros kein Problem, die erforderlichen Raketen zu entwickeln und herzustellen, wie der Militärexperte Alexej Leonkow erklärte: „Wir sind bei der Herstellung von Raketenwaffen bereits weit fortgeschritten und die Erprobung dieser Raketen findet beispielsweise auf der Ebene der Entwicklung digitaler Modelle dieser Raketen statt. Die digitalen Modelle werden berechnet und getestet und danach wird die Zahl der Teststarts solcher Raketen drastisch reduziert, in der Größenordnung von weniger als ein Zehntel. Daher wird alles in einem sehr kurzen Programm ablaufen und die Serienproduktion dieser Raketen wird kurzfristig aufgenommen.“

Aber Putin sprach auch über die Stationierung. Und hier haben die westlichen Medien viel Platz für

Ende der Übersetzung