1.12.2023 – NIUS Redaktion
Ein abgeriegelter Wohnblock – streng umzäunt und überwacht durch die Polizei. Was klingt wie aus einem Film über Kriminalität in sozial schwachen Wohnvierteln, war die Realität für 700 Göttinger. Jetzt klagen die Bewohner!
Im Juni 2020 stellte die Stadt Göttingen einen Wohnblock unter Quarantäne, nachdem mehr als 120 Personen positiv auf das Coronavirus getestet worden waren. Die Abriegelung des Wohnkomplexes mit rund 700 Bewohnern, darunter 200 Kinder und Jugendliche, führte zu erheblichen Spannungen. Die Bewohner, die von Polizei und Sicherheitsdiensten eingeschlossen und bewacht wurden, durften das Gebäude nicht verlassen, und es gab Berichte über eine unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln.
Die Bewohner des Wohnblocks beklagten unter anderem inakzeptable Hygienezustände.
Die Lage eskalierte nach drei Tagen
Drei Tage nach Verhängung der Quarantäne erreichten die Spannungen in der Groner Landstraße in Göttingen ihren Höhepunkt.
Am 21. Juni 2020 marschierte eine Gruppe von Demonstranten durch die Straße und forderte den Abbau der Zäune um den Wohnkomplex. Innerhalb der Zäune formierte sich eine Gruppe von etwa 100 Bewohnern. Getrieben von Frustration und Verzweiflung begannen sie, an den Bauzäunen zu rütteln und versuchten, diese zu überwinden. Die mit der Wut der Eingeschlossenen aufgeladene Atmosphäre entlud sich in einer chaotischen Auseinandersetzung. Flaschen, Pyrotechnik und Hausrat wurden auf die Polizeikräfte geworfen, die daraufhin massiv Pfefferspray einsetzte – auch gegen Jugendliche. Die gewalttätige Auseinandersetzung führte zu Verletzten auf beiden Seiten und zu einer Reihe von Strafverfahren gegen einige Hausbewohner.
Jetzt klagen die Bewohner
Eine vierköpfige Familie hat nun Anzeige wegen Freiheitsentziehung erstattet, da für die Umzäunung des Blocks ein richterlicher Beschluss erforderlich gewesen wäre, der aber nicht vorlag. Der damalige Oberbürgermeister von Göttingen, Rolf-Georg Köhler (SPD), verteidigte die Quarantäne als notwendig, obwohl der Wohnblock bereits als sozialer Brennpunkt bekannt war und einige Familien in sehr beengten Verhältnissen lebten.
Der SPD-Politiker verteidigte das Vorgehen.
Als „verschärften Arrest“ für 700 Personen bezeichnete der Grünen-Ratsherr Thomas Harms das Vorgehen. Die Entscheidung habe „die Ärmsten der Armen, darunter sehr viele Kinder“ getroffen.
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