Trumps Anwalt nimmt „Pitbull“ Cohen in wirres Kreuzverhör

Donald Trumps früherer persönlicher Anwalt Michael Cohen auf dem Weg ins Gericht

Der Schweigegeldprozess um Trump erlebt seinen bisherigen Höhepunkt. Erst zeigt die Anklage die Spur der ausgestellten Schecks bis zum Schreibtisch des Oval Office auf. Dann greift Trumps Anwalt dessen früheren persönlichen Juristen im Kreuzverhör an.

Donald Trumps Anwalt Todd Blanche kommt kampfeslustig aus der Mittagspause. „Sie haben mich nie getroffen, oder?“, fragt er den Kronzeugen Michael Cohen zunächst. Trumps ehemaliger persönlicher Anwalt verneint. „Aber nach dem Prozessbeginn im April sind Sie auf Tiktok gegangen und haben mich ein heulendes kleines Stück Scheiße genannt?“ Cohen stutzt kurz. „Das klingt wie etwas, das ich sagen würde“, säuselt er sanft ins Mikrofon. Den Journalisten im Strafgerichtshof entfährt ein Raunen der Überraschung.

Es ist nur der Auftakt für das Kreuzverhör des Zeugen durch Trumps Verteidiger, in dem Cohen immer wieder solche Antworten geben wird. Blanche konfrontiert Cohen mit von ihm getätigten abfälligen Aussagen oder Spitznamen für den Ex-Präsidenten, mehrfach erhebt die Anklage erfolgreich Einspruch. Der Richter holt die Anwälte zu sich und redet mit ihnen – danach wird der Ton einen Tick sanfter. Aber im Gerichtssaal von Manhattan sind die Pflöcke nun gesetzt: Die Verteidigung hat mit dem Kronzeugen der Staatsanwaltschaft im Schweigegeld-Strafprozess gegen Trump einiges vor. Sie will die Geschworenen davon überzeugen, dass Cohens vorherigen Aussagen nicht zu trauen ist.

Deren Ton war am Vormittag noch routiniert, Cohen ruhig und überaus auskunftsfreudig. Die Staatsanwaltschaft befragte ihren Zeugen zu den elf Schecks, elf Rechnungen und zwölf Bucheinträgen, mit denen sie Trump der Vertuschung illegaler Wahlkampffinanzierung für die Präsidentschaftswahl 2016 zu überführen versucht. Die Schweigegelder wurden demnach aus Wahlkampfgründen vereinbart und von Cohen selbst gezahlt – darüber sagte Trumps früherer „Pitbull“ im Detail am Montag aus -, aber im Falle der Pornodarstellerin Stormy Daniels als Anwaltskosten von Trump zurückgezahlt. Sehen ihn die Geschworenen als schuldig an, könnte der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner sogar zu einer jahrelangen Haftstrafe verurteilt werden.

Scheck um Scheck – alle falsch

Cohen hatte fast zwölf Jahre lang Probleme für seinen Chef gelöst, wobei der Zweck immer die Mittel heiligte. Bis er 2018 mit Trump brach, weil er es bereue, seinem „moralischen Kompass“ nicht gefolgt zu sein, wie er sagt. Die Staatsanwaltschaft zeigt ihm die Beweismittel, inklusive der Unterschrift von Trump selbst, von dessen Finanzchef Allen Weisselberg sowie seines Sohnes Eric. Scheck um Scheck, E-Mail um E-Mail, Rechnung auf Rechnung rauschen die Dokumente über den Schirm. Immer geht es um angebliche Anwaltsleistungen von Januar bis Dezember 2017, als Trump schon Präsident war. Immer wieder sagt Cohen, die Angaben seien falsch gewesen.

Ihm seien so die 130.000 US-Dollar Schweigegeld erstattet, plus voraussichtliche Steuern und ein Bonus gezahlt worden: insgesamt 420.000 US-Dollar. Die Anklage folgt in ihrer Befragung den Dokumenten und dem Geld, und die Spur führt an Trumps Schreibtisch im Oval Office, wo sie die Vorgehensweise vereinbart hätten. Cohen sagt aus, er sei zwar bis 2018 für Trump tätig gewesen, habe dafür aber nie Geld verlangt. Cohen erklärt, wie er Trump unbedingt vor allem schützen wollte und deshalb für ihn gelogen habe. Er vermittelt den Eindruck einer toxischen Beziehung: Cohen verehrte Trump, brauchte sein Lob, war von ihm praktisch abhängig.

Schrittweise lässt die Staatsanwaltschaft ihren Kronzeugen berichten, wie sich Zweifel in sein Verhältnis zum Präsidenten schlichen. Nachdem Stormy Daniels Anfang 2018 mit ihrem angeblichen Sex mit Trump an die Öffentlichkeit gegangen war, bekam Cohen eine Beschwerde von der US-Wahlbehörde wegen illegaler Wahlkampffinanzierung. Das FBI führte eine Razzia in seinen Privaträumen und Büros durch, beschlagnahmte Telefone, Computer und Akten. Trump habe Cohen angerufen und ihn beruhigt, erzählt er: „Mach Dir keine Sorgen, ich bin der Präsident der USA, alles wird gut. Bleib standhaft.“ Es sei das letzte direkte Gespräch gewesen, das die beiden geführt hätten.

Danach habe die Kommunikation über Mittelsmänner stattgefunden, womöglich auch, um Trump nicht direkt zu belasten. Die juristische Schlinge um Cohens Hals zog sich zu, und er beschloss etwa im Juli und August 2018, dass ihm die Loyalität zu seiner Familie wichtiger sei als die zu Trump. Er fing an, auszusagen: Dass Stormy Daniels mit dem Hauptziel bezahlt worden sei, „um die Wahl zu beeinflussen“ und das Schweigegeld auf Anweisung von und zum Vorteil von Trump geflossen sei. Cohen wurde angeklagt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Wahlbehörde traf die höchst umstrittene Entscheidung, nicht gegen Trump zu ermitteln.

Nun sagt Cohen, wenige Meter von seinem ehemaligen Chef entfernt sitzend, ohne den Präsidentschaftswahlkampf hätte er das Geld nie an Stormy Daniels gezahlt. „Auf wessen Geheiß haben sie die Straftat begangen?“ „Von Herrn Trump.“ Dann versucht die Anklage, den Geschworenen die Folgen von Cohens Seitenwechsel zu vermitteln. Er habe nach 30 Jahren seine Anwaltslizenz verloren, den Großteil seines Besitzes verkauft, zugleich immer mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert und seine Bestrafung fast verbüßt. „Bereuen Sie etwas aus ihrer Beziehung mit Trump?“, fragt die Staatsanwältin. „Ich bereue, dass ich Dinge für ihn getan habe, die ich nicht hätte tun sollen: mobben und lügen. Ich habe meinen moralischen Kompass verletzt.“

Wirres Kreuzverhör und unfreiwillige Ironie

Das klingt alles so weit schlüssig. Aber nach dem sachlichen Vormittag tritt Verteidiger Blanche auf und versucht, Trumps ehemaligen persönlichen Anwalt in die Mangel zu nehmen. Nach seinem aggressiven Beginn, bei dem Cohen wiederholt ahnungslos oder schnippisch antwortet, sich auf vorgebliche Gedächtnislücken zurückzieht und dafür giftige Nachfragen erntet, gleitet das Kreuzverhör immer häufiger in unerklärte Nebenschauplätze ab. Blanche reitet auf Details herum, die danach nie mehr erwähnt werden; er bricht Fragen ab, wenn er nicht weiterkommt. Cohen gewöhnt sich an, zwar mit Ja oder Nein zu antworten, aber die Frage umzuformulieren.

Ein paar Male treibt Blanche ihn jedoch erfolgreich in die Ecke; er wolle Trump doch verurteilt sehen, richtig? „Sicher“, gibt Cohen zu – nachdem er sich länger gewunden hat, eine klare Antwort zu geben. Die Verteidigung zeigt Merchandise, das Cohen inzwischen online verkauft: T-Shirts mit Trump hinter Gittern, oder dem Logo „Convict 45“ als Code für die Verurteilung des Ex-Präsidenten, auch eine Tasse. Sie befragt den früheren Anwalt zu den Erlösen seiner zwei Bücher, seiner zwei regulären Podcasts, zu seinen Aktivitäten auf X und über dessen fast tägliche Live-Auftritte bei Tiktok. Auch über „Dutzende“ Fernsehinterviews bei den Trump-kritischen Fernsehsendern CNN und MSNBC kommt es zu einem kleinen Definitionsduell. Beide Sender sind in Trumps Welt als politisches Feindesland verschrien.

Die Verteidigung versucht offensichtlich, Cohen wegen seiner Kooperation mit der Anklage als jemanden darzustellen, der illoyal und egoistisch ist, obwohl Trump ihm eine Art Familie bot, ihm Jobs gab, er von dessen Immobilien profitierte. Dass er Trump verehrte und ihm nacheiferte, aber wie bei einer unerwiderten Liebe mit ihm brach, weil dieser als Präsident nicht mehr für ihn erreichbar war; er „besessen“ von seinem Chef gewesen sei und in seinen Büchern, Podcasts und Tiktoks ständig erwähne. Als der Anwalt versucht, Cohen einen Strick aus diesem Sinneswandel zu drehen, rechtfertigt sich Cohen: „Ich war knietief in Donald Trumps Kult.“

Bislang wirft Trumps Verteidiger dem früheren Anwalt vor, ständig auf Medienpräsenz aus zu sein. Dass dieser dabei Trump mit abwertenden Spitznamen wie „Cartoon Bösewicht“ versehe. Dass er nur Dinge mache, wenn er davon profitiere. Cohen viel Geld verdienen wolle. „Sie haben ein wenig von sich selbst in ihm gesehen, richtig?“, fragt Blanche. „Ja.“ Die Angriffe haben eine eigene Ironie, denn auch Trump könnte man so beschreiben. Trotzdem versucht dessen Verteidigung, dies bei Cohen als verwerflich darzustellen.

Entscheidend wird am Ende, welche Schlüsse die Geschworenen aus all dem ziehen werden. Zunächst wird jedoch am Donnerstag das Kreuzverhör der Verteidigung fortgesetzt, es folgen mögliche Repliken. Die Anklage hat angedeutet, dass Cohen ihr letzter Zeuge ist. Danach darf auch die Verteidigung noch Zeugen aufrufen – unter anderem Trump selbst. Wenn er denn möchte. Die Entscheidung darüber steht Blanche zufolge noch aus.