«Meuterei» im State Department


Israel treibt einen Keil durch das US-Aussenministerium

Der israelische Krieg gegen die Hamas spaltet nicht nur die amerikanische Öffentlichkeit, sondern auch Washingtons Diplomaten. Im Aussenministerium zirkulieren interne Protestschreiben. Offene Aussprachen sollen die Gemüter besänftigen.

Durch ihre bedingungslose Solidarität mit Israel verlieren Präsident Biden und sein Aussenminister Blinken an Rückhalt in den eigenen Reihen.

Bereits kurz nach Beginn der israelischen Bombardements im Gazastreifen berichteten amerikanische Medien über eine sich zusammenbrauende «Meuterei» im State Department. Am 19. Oktober kündigte Josh Paul mit einem offenen Brief seine Stelle im Aussenministerium, wo er als leitender Beamter mit Waffenlieferungen an amerikanische Verbündete beschäftigt war. «Die blinde Unterstützung für eine Seite ist langfristig destruktiv für die Interessen der Menschen auf beiden Seiten», kritisierte Paul die bedingungslose Solidarität der USA mit Israel. Auch mit Blick auf die Ukraine und die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Diplomatie meinte er: «Wir können nicht gleichzeitig für und gegen eine Besatzung sein. Wir können nicht gleichzeitig für und gegen Freiheit sein.»

Paul ist für die Medien seither ein gefragter Interviewpartner. Während seine Kündigung bisher ein Einzelfall ist, scheint der Unmut aber im Aussenministerium verbreitet zu sein. Seit dem Vietnamkrieg unterhält das State Department einen Kanal, in dem Mitarbeiter ihren Widerspruch gegen die Politik der Führungsebene in Form von «dissent cables» kommunizieren können, ohne disziplinarische Massnahmen befürchten zu müssen. Mindestens drei solcher Protestschreiben sollen im Zusammenhang mit Israels Krieg gegen die Hamas bereits verfasst worden sein.

Für Waffenstillstand und Zweistaatenlösung

Für Aufsehen sorgte vor allem die im Nahost-Büro tätige Silvia Yacoub. Sie sammelte Unterschriften im Aussenministerium für eines der Protestschreiben. Gleichzeitig warf sie Präsident Joe Biden auf dem Kurznachrichtendienst X öffentlich vor, «mitschuldig an einem Genozid» zu sein.

Inhaltlich drängen die Verfasser der Protestnoten auf einen Waffenstillstand. Sie schlagen vor, dass Israel palästinensische Gefangene, die ohne Anklage in Haft sitzen, gegen die Geiseln der Hamas austauschen könnte. Präsident Biden lehnt einen Waffenstillstand bisher jedoch ab und verlangt von Israel einzig humanitäre Feuerpausen.

Die internen Kritiker im Aussenministerium verlangen zudem, dass das Weisse Haus israelische Verletzungen internationalen Rechts öffentlich und nicht wie bisher hinter verschlossenen Türen kritisiert. Dies betreffe etwa die illegale Landnahme israelischer Siedler im Westjordanland: «Wir müssen öffentlich kommunizieren, dass dies gegen unsere amerikanischen Werte verstösst, damit Israel nicht ungestraft handelt.» Die Verfasser der Protestschreiben fordern von Biden und seinem Aussenminister Antony Blinken ausserdem ernsthafte Bemühungen und nicht bloss Lippenbekenntnisse für eine Zweistaatenlösung.

Blinken wird etwas kritischer im Ton

Um den Unmut in seinem Ministerium zu besänftigen, trafen sich Blinken und seine engsten Mitarbeiter zu Aussprachen mit den Autoren der kritischen Briefe. In einer E-Mail an die Belegschaft schrieb der Aussenminister: « Wir hören zu: Was ihr uns mitteilt, prägt unsere Politik.» Das State Department habe Gesprächsforen in Washington organisiert und offene Diskussionen in den Botschaften rund um die Welt angeregt. Gleichzeitig wurde Blinken dieser Tage gegenüber Israel etwas deutlicher, als er meinte: «Viel zu viele Palästinenser wurden getötet.»

Gemäss der «New York Times» wurden die Protestnoten bisher von «Dutzenden» Mitarbeitern im Aussenministerium unterzeichnet, das ist eine überschaubare Zahl. Allerdings verfassten auch Angestellte der Behörde für Entwicklungszusammenarbeit einen offenen Brief an den Präsidenten. Über tausend Mitarbeiter sollen das Schreiben unterstützen, das einen «sofortigen Waffenstillstand» fordert. Wobei ihre Namen anonym bleiben. Am Dienstag erhielt der Präsident einen weiteren kritischen Brief von rund 500 Regierungsmitarbeitern in rund 40 Behörden. Viele von ihnen waren von Biden selbst ernannt worden. Manche hatten ihn im Wahlkampf aktiv unterstützt.

Auch eine neue Umfrage zeigt, wie Israels Krieg gegen die Hamas den Rückhalt für Biden in den eigenen Reihen erschüttert. Demnach geht die israelische Reaktion auf den Terroranschlag der Hamas 56 Prozent der demokratischen Wähler zu weit.


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