Die Bundestagsabgeordnete hatte bei den zuständigen Ministerien nach Erkenntnissen vor und nach den Explosionen gefragt – vergeblich.
Hält die Bundesregierung wichtige Informationen zu den mutmaßlichen Anschlägen auf die Gaspipelines zurück – auch gegenüber dem Parlament? Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sahra Wagenknecht, hegt diesen Verdacht, nachdem sie zum Thema drei Anfragen an das Wirtschaftsministerium sowie das Außenministerium gestellt hat.
Am 26. September war es an den Strängen der Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 zu mindestens zwei Explosionen gekommen. Dadurch entstanden Lecks, durch die Gas in die Ostsee entwich, an deren Grund die Pipelines liegen. Wer oder was die Explosionen verursacht hat, ist zumindest offiziell noch ungeklärt. Einig sind sich Nato-Staaten und Russland darin, dass sie dahinter einen Anschlag vermuten. Wer ihn ausgeführt hat, ist jedoch unklar. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt wegen eines „schweren gewalttätigen Sabotage-Angriffs auf die Energieversorgung“.
Ministerium an Wagenknecht: Keine „Untersuchungen vor Ort“
Offenbar gibt es aber auch knapp drei Wochen nach den Explosionen noch keine näheren Erkenntnisse dazu, ja noch nicht einmal Untersuchungen vor Ort. Das teilte das Wirtschaftsministerium der Linke-Abgeordneten auf ihre schriftliche Anfrage mit. Wagenknecht hatte wissen wollen, welche Erkenntnisse die Bundesregierung zu diesen Vorfällen inzwischen hat und welche Maßnahmen sie „allein, mit EU, anderen Regierungen und der Nato“ eingeleitet hat, um festzustellen, wer die Beschädigungen verantwortet. Die Antwort lautet: Keine. „Bisher ist es nicht möglich, Untersuchungen vor Ort anzustellen deshalb liegen der Bundesregierung auch keine belastbaren Informationen zu den möglichen Ursachen des Angriffs vor“, schreibt das Ministerium in seiner Antwort, die der Berliner Zeitung vorliegt.
Ausweichend bis gar nicht antwortete das Habeck-Ministerium auf die Frage, welche Warnungen der Regierung über etwaige Anschläge auf die Pipelines vorlagen und welche etwaigen Maßnahmen ergriffen wurden. Dazu schreibt Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen, dass kritische Infrastrukturen wie die Nord-Stream-Pipelines grundsätzlich einer abstrakten Gefährdung unterlägen. Man könne mehrere Tausend Kilometer Leitungsstränge „nicht vollumfänglich“ gegen jedes Risiko absichern. Mehr Infos gibt’s für das Parlament nicht.
Aus Gründen des Staatswohls“ wird keine weitere Auskunft erteilt
Die Bundesregierung sei „nach sorgfältiger Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass weitere Auskünfte aus Gründen des Staatswohls nicht – auch nicht in eingestufter Form – erteilt werden können.“ Grund dafür sei die „Third-Party-Rule“ für die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste. Danach unterliegt der internationale Erkenntnisaustausch besonders strengen Geheimhaltungsauflagen. „Die erbetenen Informationen berühren somit derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt und das Fragerecht der Abgeordneten ausnahmsweise gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen muss.“ Im Klartext: Es gibt vermutlich Erkenntnisse, die die Bundestagsabgeordneten aber nicht erfahren dürfen.
Aus diesem Grund antwortet die Bundesregierung auch nicht auf die Frage Wagenknechts, „welche Nato-Schiffe und Truppenteile“ sich seit dem Aussetzen der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 in den Gegenden aufhielten, in denen die Beschädigungen auftraten, und welche russischen Schiffe und Truppenteile in jenem Zeitraum gesichtet wurden. Auch diese Antwort „würde die Preisgabe von Informationen beinhalten, due das Staatswohl in besonderem Maße berühren“, schreibt das Auswärtige Amt. Daher komme auch eine Einstufung und Hinterlegung der angefragten Informationen nicht infrage, „da auch nur die geringe Gefahr des Bekanntwerdens nicht hingenommen werden kann“.
Sahra Wagenknecht: Regierung entzieht sich der Kontrolle durch die Opposition
Wagenknecht übt scharfe Kritik an dieser Geheimhaltungspolitik. „De facto sagt uns die Bundesregierung, dass sie zwar etwas weiß, es aber ‚aus Gründen des Staatswohls‘ den Abgeordneten noch nicht einmal in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags zur Kenntnis geben kann“, sagte sie der Berliner Zeitung am Sonntag. Man könne nun nur spekulieren, welche Erkenntnisse über die Urheberschaft der Anschläge das deutsche Staatswohl so existenziell betreffen könnten, dass man sie unbedingt geheim halten müsse. „Auf jeden Fall bedeutet dieser Umgang, dass jegliche Kontrolle und Kritik an der Bundesregierung durch die Opposition unmöglich gemacht wird.“
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